Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
ihr Schlafzimmerfenster hereindrang, sich von Rosa zu Gold färbte. Häufig rann eine Träne über ihr Unterlid und rollte die Wange hinab. Das weiche Kopfkissen saugte sie auf wie all die anderen zuvor.
Mit den Gedanken war sie beim gestrigen Abend. Sie konnte nicht glauben, welche Wendung er genommen hatte. Vor Lydias ungelegener Ankunft war alles nach Plan gelaufen. Jake war von der romantischen Atmosphäre, die sie geschaffen hatte, mitgerissen worden.
Da sie es noch nie zuvor nötig gehabt hatte, einen Mann zu verführen – jene Nacht in der Scheune zählte nicht –, versuchte sie sich zu erinnern, auf welche Köder und Tricks ihre Freundinnen geschworen hatten, wenn es darum ging, sich einen Ehemann zu angeln.
Eine gute Mahlzeit, sanftes Licht, Blumen, ein hübsches Kleid und gute Laune, alles, was die Sinne eines Mannes reizte und ihn denken ließ, wie wundervoll es wäre, diese Art zärtlicher, liebevoller Fürsorge ständig zu genießen.
Banner hatte immer gedacht, solche Machenschaften seien unter ihrer Würde, setzten ihren guten Ruf aufs Spiel und seien geradezu lächerlich. Sie hatte sogar ihren ungläubig lauschenden Freundinnen verkündet, dass sie einen Mann, der sich so leicht manipulieren ließe, gar nicht wolle.
Aber diese Intrigen mussten wohl etwas für sich haben, weil alles so gut gelaufen war. Bis Lydia an die Haustür klopfte.
Jake hatte einen Satz gemacht, als sei er angeschossen worden. Er stolperte über den Hocker, der immer noch auf der Seite lag. Nur ein Wunder und geschickte Fußarbeit bewahrten ihn davor, der Länge nach hinzufallen.
Banner hatte ihr Haar glatt gestrichen, die Hände auf ihre glühenden Wangen gepresst und die Stirn für ein paar kostbare Sekunden gegen den Türrahmen gelehnt, bevor sie die Tür aufschwang und sagte: »Mama! Was für eine nette Überraschung.«
»Hallo, mein Liebes.«
Lydia tänzelte herein und brachte frische Nachtdüfte mit sich, die an ihrem Haar und ihrer Kleidung zu haften schienen wie ein Geißblattzweig, der ein ganzes Haus gut riechen ließ.
Banner verließ der Mut.
Lydia sah in der schlichten gelblich weißen Hemdbluse und dem braunen Rock wunderschön aus. Mit ihren whiskyfarbenen Augen und dem rötlich braunen, wie Zimt schimmernden Haar brachte sie immer noch jeden Mann dazu, sich nach ihr umzudrehen. Sie war schlank, ihre Brüste und Hüften waren aber weiblich voll. Welcher Mann würde nicht gerne seinen Kopf auf dieser mütterlichen Brust ruhen lassen und für den Rest der Nacht bleiben? Lydia strahlte Ruhe und Geborgenheit aus, als sei sie alles, was ein Mann brauchte, um glücklich und zufrieden zu werden.
»Hallo, Jake.« Sie lächelte ihn an, und Banners Mut sank noch ein Stück weiter. Lydias Lächeln war arglos, offen, freundlich, aber konnte er anders, als darunter hinwegzuschmelzen?
Jake sah aus, als hätte er gerade etwas Ekliges heruntergeschluckt und müsste sich jetzt erbrechen. »Lydia.« Ein knappes Nicken seines weißblonden Schopfes war die ganze Begrüßung, und Banner wusste, dass er noch nicht wieder in der Lage war zu sprechen. Er war gerade dabei gewesen, eine Frau zu küssen, und hereinspaziert kam diejenige, die er wirklich begehrte. Das reichte, um selbst den standhaftesten Mann aus der Fassung zu bringen.
Ein peinliches Schweigen herrschte, bis Banner die Gelegenheit ergriff, vortrat und mit der Hand auf das Bild deutete. »Was meinst du, Mama? Jake war gerade dabei, mir beim Aufhängen zu helfen, als wir deinen Wagen hörten.«
»Ich habe mich schon gewundert, warum du so lange brauchst, um die Tür zu öffnen«, erwiderte sie geistesabwesend, während sie das Bild eingehend betrachtete. »Es gefällt mir.« Sie drehte sich langsam auf ihren Absätzen und nahm dabei das ganze Zimmer in Augenschein. »Mit diesem Zimmer hast du Wunder vollbracht, Banner. Alles sieht genau richtig und anheimelnd aus.«
»Danke.«
»Vielleicht brauchst du allerdings noch eine weitere Lampe«, meinte Lydia und legte nachdenklich einen Finger an die Wange. »Es ist ein klein wenig dunkel hier drin.«
Banner wünschte, der Boden würde sich auftun und sie verschlingen, aber da das nicht geschah, fragte sie: »Möchtest du gerne einen Kaffee?« Sie suchte verzweifelt nach einer anderen Beschäftigung für ihre feuchten Hände, die sie nervös rang.
»Nein. Es ist zu heiß.«
»Etwas anderes?«
»Einen Sitzplatz vielleicht?«, fragte Lydia neckend.
Banner schlug sich mit der Hand an die Brust. »Tut mir leid,
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