Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
dir?«
»Ich dachte gerade dasselbe. Nichts Ernstes, weißt du. Sich nur mal schnell im Heu wälzen.«
»Genau«, stimmte Lee ihm zu. Er kniff die Augen zusammen. »Meinst du, sie tut’s?«
»Würde mich nicht überraschen. Du kannst es am …«
»Blick erkennen«, ergänzte Lee den Satz.
»Was kannst du am Blick erkennen?« Jake riss ein Streichholz am Baum an, und die Jungen sprangen schuldbewusst zur Seite. Er lachte über ihren verwirrten Gesichtsausdruck.
Nach seinem Besuch bei Ross war er auf die Veranda herausgetreten und hatte sich gewünscht, er würde diese Party nicht ertragen müssen. Er sollte in die Stadt reiten und dort einen Mordswirbel veranstalten, Dampf ablassen. Was er brauchte, war ein guter Whisky, eine lasterhafte Frau und ein hitziges Kartenspiel. Vielleicht würde dann Banners Bild aus seinem Kopf verschwinden, und er könnte sein Leben weiterleben wie vor jener verdammten Nacht in der Scheune.
Bilder von ihr zuckten so lebendig durch seinen Kopf, dass er erwartet hatte, Ross würde merken, woran er dachte. Banner in ihrem bräutlichen Negligé, Banner in ihrer engen Hose, Banner, wie sie ihm das Essen servierte, seine Zigarre anzündete, wie sie auf dem Hocker stand, ihm den Rücken zugewandt, ihren Popo in die Luft gereckt, Banner, die gerade aus der Badewanne gestiegen war. Banner, Banner, Banner. Sie hatte ein Monopol auf seine Gedanken. Er wäre nicht überrascht gewesen, wenn Ross ihn verflucht hätte, mit gezogener Pistole von seinem Sessel aufgesprungen wäre und ihm eine Kugel mitten zwischen die Augen gejagt hätte. Und so wie Jake an seine Tochter dachte, hätte Ross auch das Recht dazu gehabt.
Aber Ross behandelte ihn wie immer, und dadurch fühlte Jake sich noch schlechter. Er war froh, als Lydia ihre Unterhaltung beendete, indem sie den Kopf zur Tür hereinsteckte und verlangte, das Ross herauskäme, um den Bürgermeister von Larsen, der gerade angekommen war, zu begrüßen.
Im selben Augenblick, als Jake auf die Veranda trat, erblickte er Banner. Sie lachte mit ihren Freundinnen. Er war froh, dass sie lachte. Sie hatte so starr und verwundet ausgesehen nach dem, was er ihr heute Nachmittag gesagt hatte. Aber das war notwendig gewesen, um sie zu verletzen. Er hatte sich gezwungen gefühlt, sie auf die grausamste, rüdeste Weise zu verletzen. Sie war besser dran, wenn sie seine wahre Natur sofort erkannte, damit sie sich ihre romantischen Vorstellungen aus dem Kopf schlug.
Um sich abzulenken von seinen wilden Gedanken, war Jake auf Lee und Micah zugeschlendert, die die Köpfe wie zwei Verschwörer zusammensteckten. Er hatte vermutet, dass sie nichts Gutes im Schilde führten, und er hatte richtig geraten, wenn man von ihrem schuldbewussten Gesichtsausdruck aus schließen konnte.
»Wie kommt es, dass alle Mädchen da drüben sind, und ihr zwei lauert hier im Dunkeln? Haben sie euch weggejagt?«
»Nein«, erzählte Micah seinem älteren Bruder. »Wir haben gerade über Frauen im Allgemeinen und über eine im Besonderen gesprochen.
»Welche im Besonderen?«
Sie deuteten auf Dora Lee. »Was ist mit ihr?«, fragte Jake ohne besonderes Interesse.
»Wir haben gerade darüber spekuliert, ob die Gerüchte, die wir über sie gehört haben, stimmen oder nicht«, sagte Lee.
»Welche Gerüchte denn?« Jakes analytischer Blick war nicht von dem Mädchen gewichen, das gestenreich und mit heftigem Wimpernklimpern plauderte. Selbst aus dieser Entfernung konnte er erkennen, dass Dora Lee genau die Art Frau war, die er verachtete. Sie hielt zu viel von sich selbst und ihrer Wirkung, genau wie Priscilla Watkins es immer getan hatte. Offensichtlich bildete sie sich viel auf ihr gutes Aussehen ein, ihre Bewegungen waren berechnet.
Aber das war genau die Art Frau, die er heute Abend brauchte, eine Frau, für die er absolut keine Zärtlichkeit empfand.
»Man sagt, dass sie, du weißt schon …« Micah beendete seinen Satz mit einem Augenzwinkern.
Jake lächelte träge. »Ach ja? Also, vielleicht kann ich die Sache ja hier und jetzt klären.« Er ging fort und ließ sie in ehrfurchtsvoller Bewunderung zurück.
»Jake«, flüsterte Micah ihm hinterher, »pass auf. Sie ist die Tochter des Bürgermeisters.«
Jake lächelte wieder eines jener gefährlichen Lächeln, die einem das Herz stillstehen ließen. »Das ist die beste Sorte.« Er zwinkerte den Jungen zu.
»Mama und Papa wollten, dass ich auf die neue Mädchenschule in Waco gehe, aber ich …«
Dora Lee unterbrach ihre
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