Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
verschwunden. Ich wachte auf … weil ich ein Geräusch hörte. Ich vermute … die Hintertür. Ich dachte, vielleicht Entführer …«
Sie stammelte zusammenhangloses Zeug, gleichwohl erfasste er das panische Entsetzen in ihrem Blick und verstand immerhin genug, um sich den Rest zusammenzureimen.
Drake trat die Decke beiseite und setzte mit einer raubtierhaften Bewegung aus dem Bett.
Er schnappte sich den Frotteebademantel, der an einem Haken hinter der Tür hing, und warf ihn über, während er Lauri mit langen Schritten folgte. Sie lief abermals in Richtung Küche.
Er steuerte direkt auf die Hintertür zu, spähte in die tintenschwarze Finsternis. »Sollen wir die Polizei anrufen?«, fragte Lauri mit zitternder Stimme. Sie gestikulierte hilflos. »Drake, was …« Schluchzend brach sie ab.
»Beruhige dich, Lauri. Hysterie bringt uns keinen Schritt weiter. Ja, ruf die Polizei an. In der Zwischenzeit suche ich im Schuppen nach einer Taschenlampe.«
»Aber … aber wenn sie noch irgendwo da draußen herumlungern? O Drake, sei bloß vorsichtig!«
»Was heißt ›sie‹? Wir wissen doch noch gar nicht, was genau passiert ist. Aber ich schwöre bei Gott, sollte Jennifer etwas zugestoßen sein, dann bringe ich den Kerl um!«
»Sucht ihr die nächtliche Ausreißerin?«
Die beiden Personen, die hektisch in der Küche diskutierten, drehten sich wie auf Knopfdruck um und starrten Betty mit offenem Mund an. Die Nachbarin hatte Jennifer auf dem Arm.
»Grundgütiger«, stammelte Lauri, warf erleichtert eine
Hand vor den Mund und lief zu Betty, um ihr das Kind abzunehmen. Sie drückte Jennifer an sich und wiegte sie in den Armen, immer noch fassungslos, dass sie heil wieder zu Hause war.
»Was ist denn passiert?«, wollte Drake wissen. Lauri stellte fest, dass seine Stimme leicht schwankte. Er hielt stützend eine Hand in Jennifers Rücken.
»Ich habe schon geschlafen«, erklärte Betty, »als ich ein Geräusch an der Hintertür hörte. Natürlich dachte ich sofort an einen Einbrecher oder irgendeinen Perversen, der allein lebenden Frauen nachstellt. Ich kann mich einfach nicht mit der Tatsache abfinden, dass Jim ständig unterwegs ist und ich die meiste Zeit allein bin.« Ihre großen, braunen Augen klebten an Drakes behaarter Brust, denn der aufklaffende Kragen des flauschigen Mantels bot tiefe Einblicke.
»Wie dem auch sei«, fuhr sie fort, »ich fand, dass es sich kaum um einen besonders cleveren Strolch handeln konnte, da er einen Mordslärm veranstaltete. Schätze, meine Neugier überwog die Angst, jedenfalls schlich ich mich in die Küche und linste aus dem Fenster. Da sah ich Jennifer auf der Treppenstufe stehen. Auf Zehenspitzen balancierend versuchte sie, die Tür aufzumachen. Als ich sie hereinließ, ist sie wie von einer Biene gestochen in Sallys Zimmer gedüst. Sie hatte Bunny am Nachmittag dort vergessen. Nachdem sie ihn sich geholt hatte, marschierte sie schnurstracks wieder ins Freie. Ich dachte, ich begleite sie besser und sorge dafür, dass sie sicher zu Hause ankommt. Das muss man sich mal vorstellen! Diese kleine Göre spaziert mitten in der Nacht mutterseelenallein draußen im Dunkeln herum!«
»Sie war so müde, als ich sie ins Bett brachte, dass sie
Bunny bestimmt gar nicht vermisst hat. Dann wachte sie in der Nacht auf und stellte fest, dass er nicht bei ihr im Bett war. Prompt ging sie ihn suchen«, sinnierte Lauri laut. Sie lächelte zu der Kleinen, die Bunny an sich kuschelte und verschlafen gähnte. Lauri schob ihr die wirren Locken aus dem Gesicht und küsste sie auf die sommersprossige Wange.
Drake nahm ihr Jennifer ab, stellte sie zu Boden und hockte sich vor sie. »Jennifer, das war sehr ungezogen!«, gebärdete er in einer Weise, die keinen Zweifel an seiner Verärgerung ließ. »Du darfst Lauri und mir nicht weglaufen. Das macht uns sehr …« Er kannte die Geste für traurig nicht und blickte Hilfe suchend zu Lauri. Sie symbolisierte das Zeichen, und er fuhr fort: »Das macht uns sehr traurig. Wir hatten große Angst um dich. Wir wussten ja nicht, wo du warst. Wenn du noch einmal wegläufst, gibt es was hintendrauf.«
Jennifers Unterlippe bebte auf einmal verdächtig. Sie wusste, dass ihr Daddy es damit ernst meinte. Jählings riss er sie in seine Arme und hielt sie ganz fest, die Lider zusammengepresst ob der ausgestandenen Ängste. Jennifer schlang die Ärmchen um seinen Nacken, dabei hielt sie Bunny fest gepackt. Drake hob sie hoch und verließ mit ihr die
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