Wie ein Ruf in der Stille: Roman (German Edition)
freut mich wahnsinnig für dich.«
»Freu dich nicht zu früh. In der Sache stecken eine Menge Unwägbarkeiten. Es könnte auch schiefgehen«, räumte er mit ernster Miene ein. Sein Gesicht verzog sich zu dem hinreißenden, umwerfenden Grübchenlächeln. »Aber es fällt einem verdammt schwer, nicht begeistert zu sein, was meinst du?«
»Ich hoffe und wünsche, dass die Projekte sich positiv für dich entwickeln. Fehlt dir Doktor Hambrick denn nicht?«
»Mag sein, dass ich unterschwellig Verlustängste empfinde, aber die halten bestimmt nicht lange an. Das Beste ist doch, dass ich jetzt viel mehr Zeit für Jennifer habe. Gut möglich, dass ich für eine Weile von einer Küste zur anderen fliegen muss, aber zwischen meinen Engagements können wir Urlaub machen, wie andere Familien auch.« Er griff
über den Tisch, tätschelte seiner Tochter den Kopf. Dabei entging ihm glatt Lauris bestürzte Miene.
Sie stand abrupt auf, stakste zum Gefrierschrank und nahm eine Kasserolle heraus – ihre Schlechtwetterprojekte beschränkten sich freilich nicht aufs Backen, sie hatten auch vorgegart und gebraten –, die sie für das Abendessen in den Backofen schob.
Drake redete unbeirrt weiter. »Eine Zeit lang kann es finanziell ein bisschen eng werden. Ich muss aufs Geld achten, was ich seit Jahren nicht mehr getan habe. Aber für den Ernstfall habe ich sicher auch genug gespart, um uns locker über die Runden zu bringen.« Er lachte. »Du magst es glauben oder nicht, mein Agent ist total euphorisch. Er beteuert, dass seine Kunden sich darum reißen, mich für Werbeaufnahmen zu buchen: angefangen von der Zahnpastareklame bis hin zu Boxershorts. Man arbeitet einen Tag und bekommt einen Haufen Geld für solche Werbespots. Ich habe mich zwar noch nie damit beschäftigt, aber ich sehe, ehrlich gesagt, keinen Grund, warum ich nicht Kapital aus meinem Bekanntheitsgrad schlagen sollte.«
Sie wusch Kopfsalat unter fließendem Wasser. »Du bist bestimmt sehr erfolgreich, Drake. Bei allem, was du machst.«
Sie war froh, als er sich erbot, mit Jennifer zu spielen, während sie das Abendessen vorbereitete. Sobald er mit der Kleinen die Küche verlassen hatte, sank sie frustriert vor den Küchentresen und hielt sich den Kopf.
Eben hatte er ihr durch die Blume gesagt, dass sie gefeuert sei. Über ihre Pseudoehe und ihre erotische Affäre hatte er kein Wort verloren, stattdessen hatte er pausenlos betont,
dass er jetzt mehr Zeit für Jennifer hätte. Demnach war Lauri überflüssig geworden. Immerhin zahlte er ihr ein mehr als großzügig bemessenes Gehalt. Und da er künftig aufs Geld achten musste, würde er finanzielle Einschnitte vornehmen – zweifellos bei ihr.
Natürlich fände sie sofort einen neuen Job – gar keine Frage. Gehörlosenpädagogen wurden immer gesucht, aber würde ihr eine neue Aufgabe auch Spaß machen? Müsste sie nicht ständig an die kleine Schülerin denken, die ihr fast wie eine Tochter ans Herz gewachsen war?
Du wusstest doch genau, wie heikel es ist, wenn man zu viel Nähe aufbaut, sich zu stark engagiert, Lauri, kritisierte sie sich gnadenlos. Und jetzt bekommst du die Quittung dafür. Wer nicht auf seine innere Stimme hören will, muss eben fühlen.
Ein Gedanke tröstete sie zumindest. Jennifer war noch zu jung, um sich lange an sie zu erinnern. Anfangs würde sie Lauri bestimmt vermissen, sich aber rasch umorientieren und sie mit der Zeit vergessen. Das machte Lauri das Ganze zwar ein bisschen leichter, aber es fiel ihr immer noch schwer, sich mit der Vorstellung anzufreunden. Sie seufzte tief.
»Lauri?« Sie schrak zusammen, als Drake sie ansprach. Er stand in der Küchentür. Hastig fasste sie sich und drehte sich zu ihm. »Ja?«
»Stehen die Kisten mit Susans Sachen immer noch oben im Schrank?«
Die Hände hinter ihrem Rücken verschränkt, spürte sie, wie sich ihre Nägel schmerzhaft in die Handballen gruben. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie räusperte sich, brachte mühsam hervor: »Ja, ich habe sie nicht angerührt.«
»Okay.« Mehr sagte er nicht. Er stieß sich vom Türrahmen ab und ging davon.
Für den Herzschlag des Augenblicks stand sie wie angewurzelt da. Bis ins Mark erschüttert. Wie konnte er sie so etwas fragen? Eiskalt, ohne einen Funken Rücksicht auf ihre eigenen Gefühle zu nehmen? Glaubte er etwa, sie hätte sich ihm einfach so hingegeben? Hatte er ihre gemeinsamen Nächte bereits verdrängt, als wäre nie etwas gewesen zwischen ihnen?
Glaubte er, sie könnte
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