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Wie ein Stein im Geroell

Wie ein Stein im Geroell

Titel: Wie ein Stein im Geroell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Barbal
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gelähmt. Da fühlte ich in meiner Hand die kleine Hand von Mateu, der mich mit sich fortzog, und dann war ich auf der Treppe vor unserem Haus, ganz allein.
    Ich hatte mich im Bett aufgesetzt, kurz davor loszuschreien. Draußen war es noch gar nicht richtig hell. Jaume war bereits aufgestanden, an diesem Tag hatte er in Sarri zu tun.
    In meinem Traum schien Mateu schon ein wenig älter, sechs Jahre vielleicht, und dabei war er doch erst drei. Seine Hand aber, die wirkte ganz klein. Ich hatte noch immer das Gefühl, sie zu spüren, und noch immer lag ich im Bett: die Augen starr auf die Wand gerichtet, mit völlig zerzaustem Haar.
    Mit einem Satz sprang ich schließlich auf und begann voller Schwung den neuen Tag. Ich war so erleichtert, weil es ja nur ein Traum war! Die Arbeit, die für heute anstand, schreckte mich nicht. Die Zimmer mußten für die Vettern aus Barcelona hergerichtet werden. Bis sie kommen sollten, war es zwar noch ein paar Tage hin, aber seitdem die Tante denBrief gelesen hatte, gab es kein Halten mehr. Soviel Arbeit, dein Mann immer unterwegs, und bald werden wir das Haus voller Leute haben.
    Anstatt Ende August wollten sie schon vorher hochkommen, so in der zweiten Julihälfte. Ventura war krank gewesen, und das Klima in Barcelona bekam ihr gar nicht.
    Wir hatten uns einen gründlichen Hausputz vorgenommen, Jaume würde die Wände mit Kalk weißen und ich am Vorabend des Marienfestes die Betten beziehen.
    Es war nur schwer zu verstehen, weshalb die Tante schlechte Laune hatte, wo sie sich doch eigentlich so sehr auf den Besuch freute. Vielleicht lag es daran, weil einiges zusammengekommen war. Jaume steckte bis über beide Ohren in Arbeit, und Elvira stand seit dem Frühjahr in Dienst bei den Pujalts in Montsent. Dort lernte sie, wie man ein großes Haus führt und feine Speisen zubereitet. Und jeden Tag bekam sie zwei Stunden frei, damit sie zum Nähunterricht gehen konnte. Zum einen war das ganz im Sinne der Tante, zum anderen aber war es ihr einfach zuviel, obwohl Angeleta ihr half, so gut sie nur konnte. Sie war fleißig und fügsam, nur eben nicht so tatkräftig wie Elvira. Man mußte ihr sagen, was sie zu tun hatte. Doch um ehrlich zu sein, war sie manchmal schon allein mit Mateu genug beschäftigt. Wasch ihn, zieh ihn an, mach ihm das Frühstück, paß auf der Straße auf ihn auf; jetzt geht und füttert die Kaninchen; holt eine Handvoll Mangold aus dem Garten. Nachher gehen wir aufs Feld und zählen die Pappeln. Wir pflücken Blüten vom Seifenkraut, vom Johanniskraut und dann noch Kapuzinerbart und Heckenrosen, und paß bloß mit den Brennesseln auf! Nein, die Sichel darfst du noch nicht nehmen. Da mußt du erst noch wachsen: groß wie ein Kirchturm werden und stark wie ein Stier. Angeleta geht jetzt allein die Kühe hüten, und um die Mittagszeit bringt uns die Tante etwas zu essen. Suppe, ein Stück Schinken und Salat. Du darfst noch keinen Wein trinken. Nur Wasser. Komm, wir schauen, ob die Walnüsse schön dick werdenund ob die Haselnüsse auch reifen, und dann mach’ ich dir ein Bett unter dem großen Nußbaum, damit du schläfst, während Mutter ihre Arbeit erledigt. Vater wird etwas später kommen, denke ich.
    Daß die Augustís Jaume gerade jetzt, mitten im Sommer, Arbeit gegeben haben …, aber man kann schlecht nein sagen. Und schon gar nicht zu diesen Familien, die so tun, als täten sie dir einen Gefallen. Jedes Jahr helfe ich ihnen beim Schlachten, und dann heißt es immerfort Conxa hier, Conxa da, sie wissen schon gar nicht mehr, was sie mir noch alles auftragen können. Und wenn du dann mit der Arbeit fertig bist, tun sie so, als würden sie dich nicht mehr kennen.
    Plötzlich sehen wir, wie Delina auf uns zukommt und dabei aufgeregt mit den Armen herumfuchtelt. Mateu lacht. Ganz erhitzt ist sie, rot wie ein Hahnenkamm. Sie redet sofort drauflos. Ich wollte dir nur sagen, daß ich auf dem Markt den Großvater von den Sastres aus Torve getroffen habe. Er hat mir aufgetragen, ich soll euch ausrichten, daß sie für ihren Erstgeborenen ein Auge auf eure Elvira geworfen haben. Und sie fügt hinzu: Das ist eine gute Familie, überlegt euch das nicht zu lange.
    Ich bin ganz verblüfft. Sie ist doch noch nicht einmal sechzehn …, und daß mir gerade Delina diesen Rat gibt, die ja nie heiraten wollte und deshalb bald ihrem Bruder den Pfarrhaushalt führen wird.
    Sie redet weiter. Wenn ihr einverstanden seid, könnt ihr euch am nächsten Montag auf dem Markt wegen der ersten

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