Wie ein Stein im Geroell
Zusammenkunft einig werden. Sieh zu, daß du deinen Mann überzeugst. Ich muß jetzt los, denn bei uns ist eine Kuh kurz vorm Kalben …
Sie läßt mich einfach stehen, und mir ist, als hätte ich Prügel bezogen. Eilig geht sie auf ihr Haus zu. Ich denke an Elvira. Womöglich vergeht die Zeit einfach ein wenig zu schnell. In diesem Augenblick kommt mir wieder mein Traum in den Sinn, und ich spüre, wie mir ganz kalt ums Herz wird.
B arcelona, den 20. Juli 1936
Frau
Encarnación Martí
Liebe Base und Familie!
Ich hoffe, daß Euch diese Zeilen bei guter Gesundheit erreichen, wie auch wir uns, Gott sei Dank, bester Gesundheit erfreuen.
Soeben haben wir Euren Brief erhalten, in dem Ihr Euch nach unserer Ankunft bei Euch oben erkundigt. Für den Augenblick haben wir beschlossen, Euch wissen zu lassen, daß wir nicht kommen werden. Die Nachrichten über den Aufstand haben uns etwas beunruhigt, und angesichts der unsicheren Lage denken wir, daß es besser sein wird abzuwarten, bis wieder etwas mehr Ruhe eingekehrt ist, um eine Reise anzutreten.
Glaubt nicht, daß uns dieser Entschluß leicht gefallen ist. Ventureta hat sich so gefreut, und jetzt weint sie nur und sagt, daß sie hoch will zu Euch. Gott sei Dank geht es ihr schon viel besser, so daß die Reise aus diesem Grund nicht mehr unbedingt notwendig ist. Aber Ihr könnt uns glauben, wie sehr wir das alles bedauern. Die Tage bei Euch, die wir so herbeigesehnt haben, die Ausflüge und das gute Essen dort oben werden wir wirklich sehr vermissen. Es tut uns leid, daß Conxeta bereits die Zimmer hergerichtet hat, aber man muß sich eben fügen, so es denn Gottes Wille ist.
Wir werden Euch etwas Stoff schicken, den wir gekauft haben, um den Mädchen ein Kleid zu nähen. Aber was heißt Mädchen, Elvira wird ja sicher schon ein richtiges Fräulein sein und Ángela bestimmt auch.
Wir hoffen zum Wohle aller, daß nichts Schlimmes geschehen wird und wir noch im August hochkommen können.
Ich mache Schluß für heute und schicke Euch eine Umarmung von uns allen hier und ganz besonders von Ventura und meiner Frau Elisa. Euer Vetter, der Euch von ganzem Herzen verbunden ist,
Tomás Olivella
S eit die Nachricht vom Militärputsch in Afrika zu uns gedrungen war, ging alles drunter und drüber. Die Vettern kamen nicht zu uns herauf. Die Tante lag mit einer Magenverstimmung im Bett und fühlte sich wie zerschlagen, und Jaume, zwischen all der Arbeit draußen und den Fahrten nach Sarri, wo sie gerade die letzten Wasserleitungen verlegt hatten, war kaum daheim. Pfarrer Miquel tat nichts anderes als zu verkünden, ganz gleich ob von der Kanzel oder auf der Straße, daß in all dieses Durcheinander unbedingt wieder Ordnung gebracht werden müsse und diese Republik ein einziges Desaster sei. Seine Predigten dauerten länger als die Messe an sich; man hätte meinen können, der Mann wolle weiter nichts, als seinem Herzen Luft machen, denn was er da sagte, hatte mit der für den Tag vorgesehenen Lesung nicht das Geringste zu tun. Zudem hatte ich fast jede Nacht wieder diesen schrecklichen Traum. Nur für die Kinder ging alles seinen gewohnten Gang. Elvira war glücklich mit ihrer Stelle als Hausmädchen in Monsent. Sie würde so viel lernen, sich dort so wohl fühlen; im Nähunterricht hätte man ihr sogar beigebracht, wie man sich ein Kleid zuschneidet … Mateu, mager wie eh und je, aber zäh wie Leder. Und Angeleta, die arme Kleine, die mir bei allem und jedem zur Hand ging.
Nach und nach erfahren wir mehr. Im Süden von Spanien wird gekämpft, es gibt Tote … Aber man spricht auch von Ungeheuerlichkeiten, die in Barcelona geschehen. Daß sich die Priester verstecken müssen. Unser läßt sich seit zwei Tagen nicht mehr blicken. Jaume ist außer sich; er wiederholt ständig, daß man das, was das Volk in einer freien Wahl entschieden hat, nicht einfach rückgängig machen kann, auch nicht mit Waffengewalt. Was für ein Volk? Volk, das soll heißen die Menschen, alle Männer und Frauen, die in diesem Land leben. Bei solchen Gesprächen verschlägt es mir den Atem. Besser ich frage nichts. Heute hat Jaume mich schon ausgescholten, weil ich ihm gesagt habe, daß sie um die Hand von unserer Großen angehalten haben. Als ob ich schuld daran sei, daß sich ein Junge aus reichem Haus mit unserer Elvira verheiraten will. Ich sag’ doch selbst immer wieder, daß sie ja noch ein Kind ist; aber er war fuchsteufelswild. Ob sie mir vielleicht lästig falle? Lästig, meine eigene
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