Wie einst in jenem Sommer
habe extra diese Taverne ausgesucht, damit ich in Lillys Nähe bin.“
„In meinem Haus bist du erst recht in ihrer Nähe“, antwortete er mit fester Stimme.
„Ich will aber nicht bei dir wohnen!“ Carrie war entsetzt. Die Vorstellung, Andreas auf Schritt und Tritt zu begegnen, machte ihr Angst.
Neugierig sah er sie an, bemerkte ihren argwöhnischen Blick und sagte ungeduldig: „Eben hast du noch behauptet, dass du nur das Beste für Lilly willst.“
„Das stimmt ja auch, aber es ist keine gute Idee, bei dir zu wohnen.“
„Wieso nicht?“, fragte er herausfordernd. „Ich brauche jemanden, der bei Lilly bleibt, während ich versuche abzuarbeiten, was in der letzten Zeit auf meinem Schreibtisch liegen geblieben ist. Du möchtest möglichst viel Zeit mit Lilly verbringen. Da bietet es sich doch an, dass du in meinem Haus wohnst.“
Carrie war sprachlos vor Nervosität.
Andreas lächelte wissend vor sich hin. Jetzt sah sie wieder aus wie ein verschüchtertes Kaninchen. Es hatte ihn schon immer fasziniert, wie Leidenschaft und Schüchternheit sich bei ihr abwechselten.
Doch auf diesen schüchternen Blick fiel er nicht mehr herein. „Ich will mich ganz klar ausdrücken, Carrie: Ich biete dir eins meiner Gästezimmer an, nicht mein Bett.“
Gespannt wartete er auf ihre Reaktion.
„Davon gehe ich aus“, behauptete sie umgehend.
„Dann ist es ja gut. Du kannst dich also wieder beruhigen. Es sei denn, du würdest gern das Bett mit mir teilen und guten Sex mit mir haben“, fügte er mit einem frechen Lächeln hinzu.
„Deinen Sinn für Humor habe ich schon immer geschätzt, Andreas.“
Er lachte. „Und du bist noch immer so sexy wie vor zwei Jahren, Carrie. Eigentlich sogar noch anziehender.“
„Bitte lass den Unsinn. Es geht hier nicht um uns, sondern allein um Lilly.“
„Ich weiß. Das habe ich einen Moment lang vergessen, als du mich so verschüchtert angeschaut hast.“ Er verstummte, weil er sich voll und ganz auf die sich windende Straße konzentrieren musste. Von hier oben hatte man einen spektakulären Blick aufs Meer.
Nach einer Weile sagte er: „Es ist wirklich die praktischste Lösung, wenn du zu mir ziehst, Carrie.“ Das Wohlergehen des Babys stand an oberster Stelle. Wenn es sich zudem noch ergab, dass er einen Fehler bereinigen konnte, den er sich damals geleistet hatte, war ihm das nur recht.
Unschlüssig blickte Carrie aus dem Fenster. Natürlich war es praktisch – aber auch schrecklich aufregend. Bei der Erinnerung an den ersten Kuss war ihr vorhin heiß geworden. Sie wusste, dass sie Andreas noch immer begehrte und mit dem Feuer spielte, wenn sie bei ihm einziehen würde.
„Es ist ja nur vorübergehend, bis ich eine andere Lösung gefunden habe“, versicherte er ihr beruhigend.
Carrie war hin und her gerissen. Einerseits wollte sie möglichst viel Zeit mit Lilly verbringen, andererseits wollte sie nicht mit Andreas allein sein. Sie hatte sogar panische Angst davor, mit ihm allein zu sein.
Verzweifelt versuchte sie, ihre Ängste zu unterdrücken. Sie machte sich ja lächerlich. Die Geschichte mit Andreas war Schnee von gestern. Sie musste sich eben einfach zusammenreißen, damit die alten Gefühle nicht wieder zum Vorschein kamen.
Es ging einzig und allein um Lilly, ihr verwaistes Patenkind, und nicht um Andreas und sie.
Daran musste sie immer denken, dann würde schon nichts passieren.
Carrie atmete tief durch. „Also gut, wahrscheinlich hast du recht. Es ist wirklich eine praktische Lösung für die paar Tage.“
„Meine Rede.“
Andreas lächelte verstohlen, als sie das Tor zu seinem Grundstück passierten. Jetzt bist du schachmatt, Carrie, dachte er zufrieden. Du weißt es nur noch nicht.
6. KAPITEL
Der Sportwagen bog um eine Ecke, dann führte die Auffahrt zu einer riesigen weißen Villa. Carrie machte große Augen.
Zwar hatte Jo vor einigen Monaten in einer E-Mail erwähnt, dass Andreas sich ein traumhaftes neues Haus gekauft hatte, doch so prachtvoll hatte Carrie es sich nicht vorgestellt. Ähnliche Häuser kannte sie nur aus Fernsehsendungen über die Reichen und Schönen. Die ultramoderne Villa war zweistöckig. Auf dem weitläufigen Grundstück befanden sich ein Swimmingpool mit direktem Zugang zum Mittelmeer und ein Hubschrauberlandeplatz, auf dem ein abflugbereiter Helikopter stand.
Warum überraschte sie das eigentlich? Sie wusste doch, wie ehrgeizig Andreas war. Was er sich vornahm, das erreichte er auch. Wie erfolgreich er seine Geschäfte
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