Wie entführt man einen Herzog?
Aber wenn es der Wunsch ihres Gemahls war, dass sie einander fremd blieben, so wollte sie sich damit zufriedengeben. Schließlich würde sie ja ihre Bücher haben. Unauffällig musterte sie noch einmal sein Gesicht. Diese blauen Augen und diese schön geschwungenen Lippen waren wirklich sehr anziehend.
„Es gefällt mir, wie Sie unsere gemeinsame Zukunft beschreiben“, sagte sie – was nicht ganz der Wahrheit entsprach. „Denn genau so habe ich mir während der Reise nach Schottland mein Leben als Ehefrau vorgestellt.“ Und das war nun wirklich wahr. Auch wenn sie jetzt nicht mehr verstand, warum es ihr so wünschenswert erschienen war, einen Gatten zu haben, der sich nicht für sie interessierte.
Lächelnd streckte er ihr die Hand hin. „Dann haben wir also eine Abmachung.“
Sie schlug ein. „Werden Sie noch heute bereit sein für die Rückfahrt nach London?“
Einen Moment lang sagte er nichts, so überrascht war er. Bisher hatte stets er entschieden, was wann zu geschehen hatte. Niemand hatte es gewagt, über seine Zeit zu verfügen. Zorn regte sich in ihm.
„Ich brenne darauf“, fuhr seine Braut fort, „meinen Bruder über unsere Hochzeit zu informieren. Auch die Mitarbeiter der Bank sollten recht bald erfahren, dass ich nun eine verheiratete Frau bin.“
Der Gedanke an ihr Geld hatte etwas Beruhigendes. Adams Zorn verrauchte. „Wir können aufbrechen“, erklärte er, „sobald Sie es wünschen.“
Adam beobachtete, wie seine junge Gattin den Raum verließ. Selten zuvor hatte er sich so erschöpft gefühlt. Und selten war er so unzufrieden mit sich gewesen. Wie tief musste ein Duke sinken, um eine ihm bis vor wenigen Stunden völlig unbekannte Bürgerliche nur wegen ihres Vermögens zu heiraten?
Andererseits hielt er diese Lösung für bedeutend besser als die, die ihm noch am Vortag als die einzig mögliche erschienen war. Er würde weiterleben und die Gelegenheit haben, seine Fehler zu korrigieren. Das Schicksal hatte ihm eine zweite Chance gegeben, und er war entschlossen, sie zu nutzen. Er würde seine Gläubiger zufriedenstellen und seinen Pächtern eine Zukunft bieten können. Im nächsten Jahr würde sein Land wieder Gewinn abwerfen. Alles würde gut werden.
Der Preis dafür war, dass er die Verantwortung für diese junge Frau übernahm. Hoffentlich war ihr Wunsch, ganz zurückgezogen zu leben, ernst gemeint! Wenn sie nämlich darauf bestand, ihre neue gesellschaftliche Stellung auszukosten, dann würde das zu Schwierigkeiten führen. Man würde sich ihretwegen über ihn lustig machen und …
Er fühlte sich schuldig, sobald ihm klar wurde, was er gedacht hatte. Er würde es ertragen können, dass man über ihn lachte. Wichtig war nur, dass er mit Penelopes Hilfe den Familienbesitz und die Familienehre retten konnte.
Plötzlich wurde ihm bewusst, wie groß die Gefahr war, dass seine Bekannten Penelope verspotteten. Bei Jupiter, seine Gattin mit ihrer unmodischen Garderobe, ihrer Brille und ihren seltsamen Ideen war wie geschaffen, das Opfer der Lästermäuler zu werden. Er musste sie schützen! Oder nicht?
Wenn sie und dieser Jem die Wahrheit gesagt hatten, dann war es zweifellos seine Pflicht, Penelope zur Seite zu stehen. Aber noch ließ sich nicht ausschließen, dass die zwei ihn in eine Falle gelockt hatten. Wenn er sich doch nur an die Umstände der Hochzeit erinnern könnte!
Fest stand, dass seine Braut nicht zu ihm passte. Sie gehörte einer anderen gesellschaftlichen Schicht an, interessierte sich für gänzlich andere Dinge als er – Homer, um Gottes wil len! – , hatte offenbar keine Ahnung von Mode und war nicht einmal hübsch. Bisher hatte er seine Aufmerksamkeit Frauen wie Clarissa Colton geschenkt, Frauen die weltgewandt waren, schön und scharfzüngig. Eine solche Frau hätte er heiraten sollen!
Doch dafür war es nun zu spät. Adam seufzte. Penelope war in beinahe allem Clarissas Gegenteil. Ihre Kleidung ließ jede Eleganz vermissen, ihr Benehmen konnte keineswegs als gewandt gelten, und schön war sie auch nicht. Obwohl … Vielleicht sollte man ihr Aussehen als außergewöhnlich beschreiben. Ihr Haar glänzte so hell, dass es fast silbern wirkte. Ihr Teint war sehr blass, vermutlich, weil sie ständig über ihren Büchern hockte. Und ihre hinter der Brille verborgenen Augen blickten überaus aufmerksam und beunruhigend kritisch in die Welt.
Er fragte sich, was sie wohl in ihm sehen mochte. Ihm war nicht entgangen, wie eingehend sie ihn gemustert hatte. Und
Weitere Kostenlose Bücher