Wie entführt man einen Herzog?
ausgeliefert.“
„Allerdings.“
„Sie haben gesagt, dass Sie ein Ehrenmann sind. Deshalb möchte ich an Ihre Moral appellieren. Meiner Meinung nach stehen uns drei Möglichkeiten offen. Erstens: Wir können die Urkunde vernichten und so tun, als hätte es diese Heirat nie gegeben. Zweitens: Wir können nach London reisen und uns um eine Annullierung bemühen. Oder drittens: Sie können als mein rechtmäßiger Gatte darauf bestehen, die Kontrolle über mein Vermögen zu erlangen. Wenn Sie sich dafür entscheiden, habe ich eine Bitte an Sie: Gestatten Sie mir, weiterhin meinen Studien nachzugehen, und stellen Sie mir das dazu nötige Geld zur Verfügung.“
Schweigend wartete sie auf seine Antwort. Dabei beobachtete sie, wie der Ausdruck seiner Augen sich veränderte. Zuerst war da nur Misstrauen, dann Erleichterung, dann Berechnung und schließlich etwas, das sie für Gier hielt.
Er denkt darüber nach, was er mit meinem Geld alles machen kann. Gott steh mir bei!
Ihr Plan war wirklich äußerst naiv gewesen! Tags zuvor hatte sie nicht darüber nachgedacht, dass der scheinbar so liebenswürdige Betrunkene möglicherweise ein Spieler war oder noch schlimmeren Lastern frönte. Sie hatte ihn geheiratet, ohne auch nur das Geringste über ihn zu wissen. Wenn er ein Verschwender war, der ihr Vermögen in kürzester Zeit durchbrachte, so konnte sie möglicherweise noch von Glück sagen. Denn genauso gut konnte er sich als brutaler Mensch entpuppen, der Vergnügen daran fand, seine Gattin auf alle möglichen Arten zu quälen.
Bellstons Stimme riss Penelope aus ihren Gedanken.
„Als Sie mich fanden, war ich am Ende. Eine Investition, von der ich mir einen großen Gewinn erhofft hatte, hatte sich als Missgriff erwiesen. Ich war verzweifelt, denn ich wusste nicht, wie ich zukünftig der Verantwortung nachkommen sollte, die ich für meinen Besitz und die dort lebenden Menschen trage.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, und der Abglanz eines Lächelns zeigte sich auf seinem Gesicht. „Wie es scheint, hat meine Situation sich grundlegend geändert. Die Ehe mit Ihnen eröffnet mir neue Möglichkeiten. Ich benötige eine recht große Summe, aber ich werde das Geld nur vorübergehend in Anspruch nehmen müssen. Das zu meinem Besitz gehörende Ackerland ist fruchtbar, auch wenn es in diesem Jahr infolge des schlechten Wetters keinen Gewinn abgeworfen hat. Hätte ich nicht vor einiger Zeit einen großen Fehler begangen und später zudem diese unglückselige Investition getätigt, könnte ich sorglos leben.“
Er hatte einen Fehler begangen, der ihn viel Geld gekostet hatte? War er also doch ein Spieler? Penelope hatte davon gehört, dass ganze Vermögen innerhalb von Minuten am Spieltisch verloren gingen. Sie schluckte.
„Wir haben von dieser Ehe also beide einen Vorteil“, fuhr er fort. „Ich erhalte die finanziellen Mittel, die ich im Moment so dringend benötige. Und Sie werden eine Duchess. In dieser Position können Sie unbesorgt Ihren eigenen Interessen nachgehen, so ungewöhnlich diese für eine Dame auch sein mögen. Sie können sich Tag und Nacht Ihren Studien widmen. Sie können Bücher oder Kleider kaufen, so viel Sie nur wollen. Und sollten Sie einmal nicht über Bargeld verfügen, so wird man Ihnen selbstverständlich Kredit einräumen. Die Rechnungen wird man an mich schicken, und ich werde sie begleichen, sobald mir das möglich ist.“
Die Vorstellung, auf Kredit zu leben, war Penelope fremd und behagte ihr nicht besonders. Dafür wusste sie die Freiheiten, die Adam ihr soeben geschildert hatte, sehr zu schätzen. „Sie haben also nichts dagegen, dass ich eine Übersetzung der ‚Odyssee‘ anfertige?“
„Selbstverständlich nicht. Solange Sie sich nicht in mein Leben einmischen, werde ich Ihnen keine Vorschriften machen.“
Das hörte sich gut an! „Wir werden einander also in Ruhe lassen und getrennte Wege gehen?“
„Ja, wahrscheinlich werden wir wie Fremde unter demselben Dach leben.“
Hörte sie da nicht einen leicht bedauernden Unterton?
Doch schon fuhr der Duke mit fester Stimme fort: „Es wird vielleicht anfangs nicht leicht sein, aber wenn wir uns beide ein wenig Mühe geben, werden wir es bestimmt schaffen. Möglicherweise werden wir eine glücklichere Ehe führen als viele andere Paare.“
Penelope runzelte die Stirn. Eigentlich, das musste sie sich jetzt eingestehen, hatte sie sich das Dasein als Ehefrau eines so attraktiven Mannes anders vorgestellt. Nicht so … kalt.
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