Wie entführt man einen Herzog?
wie vernünftig sie sich mit ihm unterhielt! Nicht ein einziges Mal wendete sie einen der kleinen weiblichen Tricks an, gegen die er sich nie hatte wehren können: keine Tränen, keine gespielte Hilflosigkeit. Sie sprach mit ihm wie …, na ja, beinahe wie ein Mann. Das fand er sehr ungewöhnlich und irgendwie … aufregend.
Diese Erkenntnis beunruhigte ihn. Aber dann sagte er sich, dass er nichts weiter von Penelope wollte als ihr Geld. Sie wiederum erwartete von ihm nur, dass er ihrem Bruder gegenüber die Heirat bestätigte. Dann würden sie getrennte Wege gehen. Er hätte nur selten Gelegenheit, in diese geradezu erschreckend intelligenten Augen zu blicken. Er würde ihr so gut wie nie am Frühstückstisch gegenübersitzen. Es gäbe keine entspannten gemeinsamen Abende am Kamin. Und da sie angeblich nicht an seinem Titel interessiert war, brauchte er sie auch nicht zu Bällen und anderen gesellschaftlichen Ereignissen begleiten. Er würde sie kaum sehen und ihr gegenüber keine Pflichten haben.
Aber aus einer Ehe sollten Kinder hervorgehen!
Unwillkürlich versuchte er sich vorzustellen, wie es sein würde, sich von einer Schar von Kindern beobachtet zu fühlen, die ebenso klug waren wie ihre Mutter. Jungen und Mädchen mit einer raschen Auffassungsgabe und einer unstillbaren Neugier auf die Welt …
Die Aussicht faszinierte ihn – bis er sich eingestand, dass die Abmachung, die er mit Penelope getroffen hatte, die Möglichkeit gemeinsamer Kinder ausschloss. Er brauchte ja auch keine direkten Nachkommen. Sein Bruder William war sein Erbe. Und der würde bestimmt irgendwann eine eigene Familie gründen und Söhne zeugen.
Gut, dachte Adam, damit sind alle Probleme gelöst, ich werde mit Penelope nach London reisen, mit ihrer Hilfe meine Finanzen in Ordnung bringen und dann mein altes Leben wieder aufnehmen, während sie sich ihren Studien widmet.
Wie hieß es doch in den alten Märchen? „Und sie lebten miteinander glücklich bis an ihr Lebensende.“ Nur, dass sie nicht miteinander leben würden …
4. KAPITEL
Die Rückfahrt nach London schien kein Ende nehmen zu wollen. Gleich zu Beginn hatte Jem sich nach einem missbilligenden Blick auf Bellston entschlossen, dem Kutscher auf dem Bock Gesellschaft zu leisten. Und so teilte Penelope sich das Innere der Kutsche mit ihrem frisch angetrauten Gatten. Dieser trug seit Tagen eine finstere Miene zur Schau und gab sich unnahbar. Mit dem charmanten Betrunkenen, der mit ihr nach Gretna Green gereist war, hatte er nichts gemein.
Offenbar wollte er Distanz zu ihr halten. Doch statt froh darüber zu sein, fühlte Penelope sich zurückgestoßen. Sie erinnerte sich noch deutlich daran, wie sie Jem ausgelacht hatte, als dieser meinte, ein Ehemann könne versuchen, zudringlich zu werden. Vermutlich hatte er befürchtet, sie würde sich gegen einen brutalen Lüstling zur Wehr setzen müssen. Nun, er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Der Duke wollte keinen körperlichen Kontakt zu seiner Gattin. Er wollte überhaupt keinen Kontakt zu ihr.
Einen anderen Schluss ließ sein Verhalten nicht zu. Während er auf dem Weg nach Gretna gut gelaunt, wenn auch mit schwerer Zunge, geplaudert hatte, schwieg er jetzt eisern. Man hätte fast meinen können, er sei stumm.
Natürlich war gegen sein Verhalten nichts einzuwenden. Schließlich waren sie übereingekommen, einander alle Freiheiten zu lassen.
Wenn wir London erst erreicht haben, werden wir die finanziellen Dinge regeln, überlegte Penelope, und dann unsere eigenen Wege gehen.
Sobald sie sich wieder ihren Studien widmen konnte, würde sie froh sein über einen Gemahl, der sie in Ruhe ließ und sie nicht bei der Arbeit störte. Vorher allerdings gab es noch einiges zu besprechen. Und wenn er den Anfang nicht machen wollte … Sie räusperte sich.
Bellston hob den Blick und schaute sie erwartungsvoll an.
„Ich habe mich gefragt, was Sie zu tun beabsichtigen, wenn wir in London sind.“
„Was könnte ich denn tun wollen?“, fragte er verständnislos.
„Nun, ich werde natürlich meine Bank aufsuchen. Auch meinem Anwalt muss ich mitteilen, dass ich geheiratet habe.“
„Sicher“, stimmte er zu. „Ich werde Sie begleiten und Ihnen, wann immer nötig, zur Seite stehen.“
„Danke, das habe ich erwartet. Aber das beantwortet nicht meine Frage. Was haben Sie vor, wenn alles Wichtige erledigt ist? Es wäre wohl unpassend, im Haus meines Bruders zu leben. Mir steht dort natürlich mein Zimmer zu Verfügung.
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