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Wie es dem Glück beliebt

Wie es dem Glück beliebt

Titel: Wie es dem Glück beliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Johnson
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Und ungemein schön, aber er war nicht in der Stimmung für Komplimente.
    »Nach all den Katastrophen, mit denen wir zu tun haben, sind Sie wegen ein paar fehlender Kerzen außer sich? Großer Gott, Sie haben wirklich keinen Sinn für Prioritäten. Warum brauchen Sie so dringend Kerzen?«
    Sie hatte Mühe zu antworten. Die Panik, die an ihren Nerven genagt hatte, während sich der Tag zum Abend neigte, hatte sie jetzt voll in ihrem Griff. Die Sonne war fast untergegangen, und bald würde es dunkel sein, vollkommen dunkel. Und Alex hatte recht, es gab hier keine Kerzen und keinen benutzbaren Kamin. Nichts, was die Nacht in Schach halten konnte.
    Sie würden kein Licht haben.
    Das sichere Wissen sandte ihr eine eisige Kälte über die Haut und bis auf die Knochen. Es drückte ihr den Brustkorb zusammen, bis ihr Herz raste und ihre Lungen kaum noch zu funktionieren schienen. Es stahl sich in ihren Geist und stieß hämisch Mut und Vernunft beiseite.
    Benommen schaute sie an Alex vorbei zum Fenster.
    »Der Mond ist nicht da«, flüsterte sie. »Es ist bewölkt, und der Mond ist noch nicht aufgegangen.«
    Er runzelte verwirrt und besorgt die Stirn. »Warum ist das wichtig?«
    »Ich …«
    Er ging um eine Theke herum, um ihr Gesicht mit beiden Händen zu umfassen. Er hatte sich geirrt, begriff er. Es war nicht Zorn, der sie so wild hatte wirken lassen. Es war etwas ganz anderes. »Sophie?«
    »Es wird dunkel sein. Vollkommen dunkel.«
    »Ja«, sagte er langsam und bedächtig. »Es ist besser so. Wir werden schwerer zu finden …« Seine Stimme verlor sich, als sie vehement den Kopf schüttelte.
    Er zeichnete mit dem Daumen einen sanften Pfad über ihr Kinn. »Was ist los? Wovor haben Sie Angst, Liebste? Ist es die Dunkelheit?«
    »Ich …« Für einen kurzen Moment war ihre Scham beinah so mächtig wie ihre Furcht. Sie wünschte, sie würde sie gänzlich überwältigen. Demütigung würde Welten besser sein als dieser schleichende Wahnsinn. Mit jeder Sekunde wurde das Licht im Raum fahler. Und simple Furcht würde bald absolutem Grauen weichen.
    »Sophie?«
    »Ja«, gestand sie in einem gequälten Flüstern. »Ja, die Dunkelheit. Ich kann nicht … ich kann nicht … es geschieht …«
    »Was? Was geschieht, Sophie?«
    »In der Dunkelheit …«
    Kommt der Tod. Das geschah in der Dunkelheit.
    Als ihre Augen sich mit Tränen füllten, hob Alex sie hoch und trug sie zum Fenster. Fragen würden jetzt nichts nutzen. Die würde er später stellen. Und die Quelle ihres Schmerzes finden.
    Und alles tun, was er konnte, um diesen Schmerz zu töten.
    »Kommen Sie, mein Herz. Sehen Sie sich den Sonnenuntergang an. Die Sonne ist jetzt unter die Wolken gesunken. Sehen Sie, wie das Licht durch die Bäume fällt? Als ich noch ein sehr kleiner Junge war, machte meine Mutter abends Spaziergänge mit mir. Wenn wir durch solches Licht kamen, erzählte sie mir immer, dass wir die Finger Gottes berührten. Es ist wunderschön, nicht wahr?«
    »Ja.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber es war genug.
    »Sehen Sie es sich genau an, Sophie. Halten Sie das Bild in ihrem Geist fest. Können Sie das?«
    Ihr Nicken war ein Rucken an seiner Schulter.
    »Gut, jetzt schließen Sie die Augen und …«
    »Nein! Ich kann nicht! Ich muss Wache halten. Ich muss sehen.«
    »Wache wofür, Süße?«
    Sie schüttelte den Kopf, aber er hatte einen schrecklichen Verdacht, dass er die Antwort bereits kannte. »In Ordnung, ich werde Wache halten. Wie ist das? Ich werde heute Nacht über uns wachen, ich verspreche es. Jetzt schließen Sie die Augen. Braves Mädchen.«
    Er setzte sich an die gegenüberliegende Wand und nahm sie auf den Schoß.
    »Sie werden nicht einschlafen?« Ihre Stimme war gedämpft an seiner Brust, aber er hörte die Furcht und die Hoffnung darin. Und sie brach ihm das Herz.
    »Nein, Liebes, ich verspreche es. Ich werde nicht einschlafen.«
    Alex hielt Wort und wachte die ganze Nacht hindurch.
    Er hielt sie, während sie zitterte, streichelte ihr übers Haar und rieb ihr in sanften Kreisen den Rücken. Er sprach zu ihr von der Sonne, die den Wald gleich draußen vor der Tür füllen würde, von langen, goldenen Sommertagen und von dem weichen blauen Licht vor der winterlichen Abenddämmerung. Alles, was ihm einfiel, um ein Grauen zu lindern, das er nicht verstand.
    Als die ersten Lichtstrahlen über den Horizont brachen, flüsterte er ihr zu, dass sie die Augen öffnen könne. Sophie warf einen Blick nach draußen, seufzte rau und

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