Wie es dem Glück beliebt
dem zu viel zugemutet wurde. »Wenn Sie es wissen müssen: weil ich kein Talent für das Pianoforte habe.«
Ein erwartungsvolles Schweigen folgte.
»Und …?«, hakte Alex schließlich nach.
»Und Mr Wang hat beschlossen, dass meine Talente vielleicht anderswo liegen. Ich habe nicht die geringste musikalische Neigung, und je mehr ich übte, umso mutloser wurde ich. Zu guter Letzt hat Mr Wang mich beiseitegenommen und erklärt, dass jeder seine eigenen Begabungen habe. Er ließ mich einiges ausprobieren, und ich habe mich für das entschieden, was mir am interessantesten schien.«
»Und das war das Öffnen eines Schlosses ohne einen Schlüssel?«, fragte er ungläubig.
»Ja, und Mr Wang hatte recht. Ich habe mich sofort dafür erwärmt und mich viel besser gefühlt.«
»Sie hätten nicht einfach die Harfe ausprobieren können oder die Flöte?«
»Ich habe doch schon gesagt, ich habe kein Talent für Musik. Außerdem waren wir damals auf den Kapverdischen Inseln, und es waren keine Harfen oder Flöten verfügbar.«
Alex sah sie noch einen Moment länger an, schüttelte fassungslos den Kopf und setzte sich dann wieder in Bewegung.
»Endlich«, murmelte sie.
24
Als sie an eine alte Jagdhütte im Wald kamen, hätte Sophie vor Erschöpfung am liebsten geweint.
Außerdem hätte sie Alex gern von der nächsten Klippe gestürzt. Ihr war heiß, sie war müde, sie hatte Angst vor der bevorstehenden Dunkelheit, und sie war äußerst verärgert.
Im Laufe der letzten Stunden hatte sie mehrere Male versucht, ihre Arbeit für den Prinzregenten zu erklären. Ihre Argumente waren vernünftig und klug gewesen. Alex hatte mit einer so boshaften Sturheit geantwortet, dass sie hätte laut schreien mögen. Sie dürfe sich nicht länger in Gefahr bringen, und das, so schien es, besiegelte die Angelegenheit.
Im Grunde brauchte sie seine Erlaubnis nicht. Tatsächlich scherte sie sich im Moment herzlich wenig um seine Meinung zu dem Thema. Es war seine Arroganz, die sie erzürnte. Niemand hatte es gern, herumkommandiert zu werden, ganz besonders sie selbst nicht. Ganz besonders nicht von ihm.
Wutschnaubend beobachtete sie, wie Alex die Tür zu der Hütte zu öffnen versuchte. Mit quietschenden Angeln schwang sie auf.
»Sehen Sie«, sagte er in so heiterem Tonfall, dass sie ihm am liebsten die Finger in der Tür eingeklemmt hätte. »Ihre Fähigkeiten sind nicht erforderlich.«
Ihr finsterer Blick erreichte lediglich seinen Rücken. So war es den ganzen Tag lang gewesen, weil der Pfad durch die Wälder zu schmal war, um Seite an Seite zu gehen. Es hatte ihr definitiv nicht gefallen.
»Der Prinzregent ist da anderer Meinung«, gab sie zurück und trat an ihm vorbei, um hineinzugehen.
»Ich schlage vor, wir lassen die Angelegenheit auf sich beruhen.«
»Sie haben damit angefangen.« Sie ging direkt auf die magere Küche zu und machte sich auf die Suche nach Kerzen, zu müde und zu besorgt, um sich darum zu scheren, dass sie sich zankten wie Kinder.
»Nun, jetzt beende ich es.«
»Schön«, blaffte sie.
»Exzellent.«
Einige Minuten verstrichen, während er beobachtete, wie sie rastlos in der Küche herumstrich. »Wonach suchen Sie?«
»Kerzen. Ich kann keine finden«, antwortete sie geistesabwesend.
»Vielleicht sind keine da.«
Sie machte sich nicht die Mühe, ihn anzusehen, sondern setzte ihre Suche mit einer Art manischer Verzweiflung fort. »Natürlich sind Kerzen da. Warum sollten keine da sein? Jeder hat Kerzen.«
»Anscheinend nicht der Besitzer dieser Hütte.«
»Stellen Sie sich nicht dumm. Es müssen Kerzen da sein, sie müssen einfach …«
»Um Gottes willen, Sophie, Sie haben jede Schublade und jeden Schrank hier durchsucht. Gewiss ist es Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass sich unsere kleine Zuflucht in einem sehr traurigen Zustand befindet. Es gibt nichts zu essen, kein Bett, der Kamin ist eingebrochen, und die ganze Hütte liegt unter einer dicken Staubschicht. Ich bezweifle, dass in den letzten Jahren irgendjemand hier war.«
»Nun, wir werden einfach den Kamin benutzen müssen, und gewiss …«
»Der Kamin ist eine Ruine. Wir würden ersticken. Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Nein! Ich will …«
»Kerzen. Ja, ich weiß.« Er gab es auf und beobachtete, wie sie einen Schrank öffnete, den sie bereits zweimal durchsucht hatte. Sie hob die Hand und tastete blind die Nischen der Regale ab. Ihre Wangen waren gerötet, und in ihren Augen stand ein wilder Glanz. Sie sah ungemein zornig aus.
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