Wie es dem Glück beliebt
Doch dann war da ein zweites Paar Hände, das ihre Arme seitlich festhielt.
»Das Miststück ist temperamentvoll, hm?«
»Sei still und halt sie fest.«
Sophie füllte die Lungen mit Luft, um einen ohrenzerreißenden Schrei auszustoßen, aber ein zorniges Brüllen hinter den Männern kam ihr zuvor. Einen Herzschlag später waren beide Männer von ihr weggesprungen. Atemlos und zitternd lehnte sie an der Mauer.
Alex fällte den dünneren mit einem einzigen Schlag auf den Kopf. Der zweite Mann umkreiste ihn argwöhnisch. Nachdem er seinen Gegner gemustert und sich selbst für mangelhaft befunden hatte, versuchte der Betrunkene, Alex mit einer Erklärung zu besänftigen. »War doch nur ein bisschen Spaß, Chef. Wussten ja nicht, dass der Vogel vergeben war, so ganz allein wie sie da rauskam.«
Alex sah nicht so aus, als wolle er sich beruhigen lassen, sondern eher, als wäre er bereit zu töten. Mit einem Satz brachte er den Mann zu Fall und setzte sich rittlings auf ihn, dann hieb er ihm grimmig die Fäuste ins Gesicht.
Sophie hatte kein so versöhnliches Wesen, dass sie auch nur das leiseste Mitleid darüber empfand, wie Alex den Mann windelweich prügelte. Sie hätte es selbst getan, wäre sie dazu in der Lage gewesen. Doch sie konnte nicht zulassen, dass er den Mann totschlug – schon weil sie nicht dafür verantwortlich sein wollte, dass jemand gewaltsam sein Leben verlor.
»Alex! Alex, aufhören! Sie werden ihn umbringen!«
Mitten in der Bewegung hielt Alex inne und sah sie an. Hätte sie nicht bereits an der Wand gestanden, wäre sie einen Schritt zurückgetreten. Seine Augen waren wild, sein Atem ging stoßweise, und seine Zähne waren zu einem Knurren gebleckt. Sophie schaute zu der Mündung der Gasse und sah, dass sich dort eine kleine Menschenmenge versammelt hatte.
»Holen Sie McLeod«, rief sie den Leuten zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Alex richtete. »Alex …«
»Er hätte Sie nicht anfassen dürfen!«, donnerte er, und sie drückte sich noch fester an die Wand.
»Nein, das hätte er nicht tun sollen«, sagte sie mit ihrer versöhnlichsten Stimme, »aber …«
Wieder versetzte er dem Mann einen Hieb.
»Alex! Bitte, Sie machen mir Angst.«
»Steigen Sie in die Kutsche!«
»Nein.«
»Sofort!«
»Nein!«, brüllte sie, erstaunt über ihren eigenen Mut. »Nicht ohne Sie.«
Er funkelte sie an, lockerte aber seinen Griff um den Kragen des Mannes keineswegs. Sie versuchte es mit einer anderen Taktik. »Alex, bitte, ich möchte nach Hause.«
Unentschlossen blickte er auf den am Boden liegenden Mann und dann wieder zurück zu ihr. Sophie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hielt aber inne, als Mr McLeod vortrat und die Hand sachte auf Alex’ Schulter legte. »Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Euer Gnaden. Es wird Zeit, dass Sie sich um das Mädel kümmern.«
Alex starrte auf die Hand auf seiner Schulter, dann folgte er dem Arm mit seinem Blick, bis er das dazugehörige Gesicht erreichte. Sophie wusste nicht, was er dort sah, aber was immer es war, sie würde ewig dankbar dafür sein. Alex schien zu sich zu kommen. Er stand auf, ließ vorher aber noch den Kopf des Mannes mit einem schauerlichen Aufprall auf das Pflaster krachen.
»McLeod!«
»Jawohl, Euer Gnaden.«
»Kümmern Sie sich um diesen Abschaum.«
»Aye. Tritt jetzt beiseite, Molly, und lass Seine Gnaden aufstehen. Ihr da …!«
So schnell die Menge sich gebildet hatte, zerstreute sie sich auch wieder. Die bewusstlosen Männer wurden gepackt und weggeschleppt. Wohin, kümmerte Sophie nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Alex.
16
Alex sagte kein Wort, sondern fasste Sophies Ellbogen nur mit einem festen Griff und führte sie zu der wartenden Kutsche. Von der Seite warf sie ihm einen verstohlenen Blick zu. Er schien fuchsteufelswild zu sein.
Er half ihr hinein, dann wechselte er einige wenige knappe Worte mit dem Kutscher, der sich von dem Angriff inzwischen erholt hatte, bevor er selbst einstieg.
Machte er ihr Vorwürfe für das, was geschehen war? Der Gedanke bohrte sich ihr wie ein Messer in die Brust.
Alex klopfte mit der Faust scharf gegen die Decke, damit die Kutsche sich in Bewegung setzte. Bei dem Geräusch zuckte Sophie zusammen. Und dann war es mit ihrer Beherrschung vorbei.
»Ich habe nichts Unrechtes getan!«, rief sie mit zittriger Stimme und fing zu ihrer Beschämung an zu weinen. Im Allgemeinen war sie keine Heulsuse. Und sie hatte in der Vergangenheit gewiss Schlimmeres erlebt als das, was
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