Wie es Euch gefaellt, Mylady
„Was ist passiert?“, fragte sie. „Ist Russell bei dir? Wieso stürmst du mitten in der Nacht in mein Zimmer?“
„Deinem Verlobten geht es gut. Aber sein Butler und zwei Diener wurden vorhin überfallen, als Russell … seine Koffer packte.“ Er wollte nicht der Überbringer schlechter Nachrichten sein, sonst würde sie ihn möglicherweise tatsächlich auf der Stelle totschießen. Und er hatte nicht die Absicht, sich mehr als nötig in diese Sache hineinziehen zu lassen. Das redete er sich zumindest ein.
Julia zog ihr dünnes Hemd über die Knie, reichlich spät für sein Empfinden. Er hatte bereits genügend von ihrer entzückenden Figur gesehen, um die ganze Nacht kein Auge zutun zu können. „Und warum bist du hier?“
Er blickte sie finster an. Sie hatte ihm mit der Waffe einen tüchtigen Schrecken eingejagt. Diese Frau verdiente ihren schlechten Ruf. „Russell schickt mich, um mich zu vergewissern, dass dir nichts passiert ist.“
„Denkst du, ich bin in Gefahr?“
Er wollte sie nicht belügen, wollte ihr aber auch nicht erklären, was für ein grausamer, unberechenbarer Mann dieser Armand Auclair wirklich war. „Ich weiß es nicht.“
„Vielleicht sollte ich London verlassen.“
„Das wäre zu überlegen. Die Großstadt ist möglicherweise gefährlicher als ein Leben auf dem Land.“
Sie kam auf die Füße. Mit offenem Haar sah sie aus wie ein junges Mädchen, irgendwie unschuldig, schutzlos, trotz der Pistole in ihrer Hand.
„Danke“, sagte sie leise. Und dann blitzten ihre Augen wieder schalkhaft, und die Farbe kehrte in ihre Wangen zurück. „Du bist ein tüchtiger Leibwächter, Boscastle.“
Etwas zog ihm die Brust zusammen, eine seltsame Regung … Was war das? Vorsicht? Zuneigung? Triebhaftes Verlangen? Oder diese magische, teuflische Macht, die Könige zu Fall brachte, Karrieren vernichtete und ihre Opfer zu Idioten machte? Nie hätte er gedacht, dass er für diese Macht anfällig wäre. Wie blind, dumm und hochnäsig von ihm. „Danke wofür?“
Sie schmunzelte, und das enge Gefühl in seiner Brust verstärkte sich, verbreitete sich sengend heiß. Er wusste nicht, wie er dagegen ankämpfen sollte, wusste nicht einmal, wie er es nennen sollte. „Dass du zu meiner Rettung gekommen bist.“
„Aha.“
Sie lächelte verschmitzt. „Immerhin hast du mich davor bewahrt, die ganze Nacht zu lesen. Wie kann ich mich nur dafür erkenntlich zeigen.“
„Ich lasse mir etwas einfallen. Gib mir die Pistole.“
„Hier.“ Sie hielt sie ihm hin. „Vorsicht! Sie ist geladen.“
Er nahm die Waffe und untersuchte sie erstaunt. „Woher hast du sie? Das ist eine Manton Duellpistole.
„Mein Mann hat sie mir gegeben.“
Er hob anerkennend den Blick. „Dein Ehemann?“
„Er war häufig unterwegs.“
„Das ist ein schönes Exemplar, Julia.“
„Ich weiß.“
Er blickte ihr in die Augen. Plötzlich wurde ihm bewusst, wie dicht sie voreinander standen. War sie näher gekommen oder er? Es war beinahe so, als ziehe ein Magnet sie zueinander, gegen ihren Willen und gegen jede Vernunft. Er starrte auf die kleine Mulde an ihrem Hals, auf den Ansatz ihrer Brüste. Eine voll erblühte Frau. Eine Frau, die einem anderen gehörte. Sein Blut erhitzte sich. Wieso musste sie so verdammt verlockend sein?
„Hör zu, Julia, ich …“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte einen Kuss auf seine Wange. Bewegungslos verharrte er; jeder Zentimeter seines Körpers spürte die Wärme ihrer weichen Lippen. Aber er ließ sich nichts anmerken. Standhaft unterdrückte er den unbändigen Wunsch, sie in die Arme zu nehmen und ihr eine Lektion zu erteilen, wohin ihre Koketterie führen konnte. Die Macht seines Hungers nach ihr verblüffte ihn. Nach all den Jahren konnte sie mühelos seinen Panzer durchbrechen. Er war verrückt nach ihr. Dabei hatte er geglaubt, er sei von ihr geheilt. Gott steh ihm bei! Er hatte gehofft, ihr überlegen zu sein.
„Ach Heath“, flüsterte sie und entfernte sich einen Schritt. „Ich fürchte, du bist zu ehrenhaft für diese Welt.“
An Ehre hatte er nun weiß Gott nicht gedacht. Sie hatte keine Ahnung, wozu er in der Vergangenheit gezwungen gewesen war. Er hatte getötet. Er hatte sich gefühllos von Frauen getrennt, die ihn schluchzend angefleht hatten zu bleiben.
Auch jetzt könnte er dieses Haus verlassen und Russell sagen, er solle sich zum Teufel scheren. Damit wäre seine militärische Karriere vermutlich am Ende, in der sich in letzter Zeit ohnehin
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