Wie es Euch gefaellt, Mylady
nachzugehen.“ Sein Blick verriet ihr allerdings, dass ihm weniger an geistigen Zerstreuungen lag. „Vielleicht solltest du packen.“
„Aber … ich habe in dieser Woche Anprobe für ein paar neue Kleider.“ Eines davon sollte ihr Hochzeitskleid sein … eine Hochzeit, die nicht stattfinden würde.
Er drehte ihr das Profil zu und lächelte. Plötzlich hatte sie den Wunsch, ihn im Kerzenlicht zu zeichnen. Noch mehr wünschte sie sich, ihn nackt auszuziehen und ihre Hände über seinen prachtvollen Körper gleiten lassen. „Deine Garderobe muss leider warten.“
„Wie du meinst. Dann wirst du deiner Familie erklären müssen, warum ich in alten Fetzen bei Tisch erscheine.“
Er lehnte den Kopf zurück, und sie bewunderte sein kühn geschnittenes Profil. „Mit dem größten Vergnügen. Und du kannst deine alten Fetzen für unseren Aufenthalt in Kent packen.“
„Ich müsste ein paar Freunden Bescheid sagen, dass …“
„Nein. Auf keinen Fall.“
„Das klingt ja nach Entführung.“
„Darauf läuft es hinaus, falls du morgen nicht gepackt hast.“
Sie unterdrückte ein Lächeln. Irgendwie gefiel ihr seine Bestimmtheit, und letztlich hatte er recht. Auf Graysons Landsitz wären sie beide in Sicherheit, denn um Heath machte sie sich größere Sorgen als um ihre eigene Person. Im Übrigen wäre weiterer Widerspruch sinnlos; er hatte seine Entscheidung getroffen und würde sich nicht davon abbringen lassen.
Das Schlimme daran war eigentlich, dass sie gegen die Reise nach Kent gar nichts einzuwenden hatte. Miss Watson hatte heute behauptet, in jeder Frau schlummere eine Kurtisane. Julia hatte den Verdacht, dass sie demnächst herausfinden würde, ob diese Theorie stimmte.
Sobald die Damen sich nun zurückgezogen hatten, überließ Heath dem verlässlichen Hamm die Bewachung des Hauses und begab sich eilends zu Audreys Haus in der Bruton Street. Sie gab eine kleine Abendgesellschaft im Freundeskreis. Ein paar Politiker und ein Maler waren anwesend, dazu zwei junge hübsche Schauspielerinnen, offenbar ihre Schülerinnen. Audrey, die einstige Schauspielerin, pflegte häufig zu sagen, das Rollenspiel sei eine wichtige Zutat in der Kunst der Verführung.
Die beiden jungen Elevinnen musterten Heath mit begehrlichen Blicken wie einen Festtagsbraten in Zeiten des Hungers. Audrey eilte rasch zu seiner Rettung herbei und führte ihn in ihr privates Boudoir. In ihrer kunstvollen Hochfrisur funkelten Diamanten, und ihr Hals schmückte ein kostbares Collier. Die Röcke ihres kupferfarbenen Taftkleides raschelten, als sie sich setzte.
Heath trat ans Erkerfenster und blickte die Straße entlang. Niemand war ihm gefolgt.
„Eine reizende Überraschung, Boscastle. Geschäftlich oder privat?“
Er setzte sich neben sie. „Weder noch.“ „Gibt es andere Gründe?“
„Ich will wissen, warum Julia dich heute besuchte.“
Audreys Lippen wurden schmal. „Das sage ich nicht.“
Er lehnte sich bequem zurück. „Dann bleibe ich so lange hier sitzen, bis du gestehst.“
Sie nestelte fahrig an ihrem Brillantcollier und ließ ihren trägen Blick über seine breiten Schultern nach unten wandern. „Das nehme ich nicht als Drohung. Willst du mich foltern?“
„Dafür ist die Zeit zu kurz.“ Sie seufzte. „Wie schade.“
„Audrey“, drängte er leise. „Ich muss es wissen.“ „Warum?“, fragte sie neugierig. „Warum kam Julia zu dir?“ „Frag sie.“ „Ich frage dich.“
Sie begann, unter seinem bohrenden Blick unruhig zu werden. „Meine Lippen sind versiegelt.“
Er nahm ihre Hand und küsste jeden Finger einzeln. „Audrey, meine schöne Verführerin, wie lange bist du mit meiner Familie befreundet?“
Ein wohliger Schauer durchrieselte sie. „Zu lange, du Satan. Ach verflixt. Wenn ich es dir sage, musst du mir versprechen, dass Julia nichts davon erfährt.“
„Mein Wort als Gentleman.“
„Und als Schwerenöter?“
Er lachte. „Auch das.“
Am nächsten Tag hatte Julia ihre Koffer für einen unbefristeten Aufenthalt auf dem Lande gepackt. Hermia versicherte ihr, dies sei das Vernünftigste, was sie tun könne, und Julia war ihr im Stillen dankbar für den Rückhalt, auch wenn sie sich über ihre Besorgnis lustig machte. Denn mit Vernunft hatte ihre Einwilligung weit weniger zu tun als mit der Macht ihrer Gefühle. Sie folgte damit lediglich ihrem Herzen.
Sie schloss ihre Schlafzimmertür und eilte die Treppe hinunter ins Musikzimmer, wo sie ihre Zeichnungen versteckt hatte, ohne die sie
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