Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
Vom Netzwerk:
sämtlicher Stücke veröffentlicht.»
    Malone trug eine hellgrüne Seidenweste, aus der er ein in Papier gebundenes Notizbüchlein zog. Dann wandte er sich an Williams Vater: «Wir benötigen noch mehr als nur das Objekt an sich. Wir brauchen ‹fons et origo›, Mr Ireland.»
    «Sir?»
    «Die Provenienz. Die Herkunft.»
    Samuel Ireland blickte zu seinem Sohn hinüber. Dieser schüttelte, wie Mary beobachtete, schnell den Kopf. «Es steht uns nicht frei, Mr Malone – »
    «Ein Kunde?»
    «Das kann ich nicht sagen.»
    «Nun, das ist bedauerlich. Man sollte die Quelle dieser Schätze kennen.»
    Samuel Ireland ergriff Marys Arm, ohne weiter auf Malones Bemerkung einzugehen. «Miss Lamb, haben Sie die Urkunde gesehen?»
    «Die Urkunde?»
    «Vater, ich hatte ihr doch nur beiläufig davon erzählt.»
    «Ach, das genügt nie und nimmer. Miss Lamb muss diese Urkunde leibhaftig sehen. William hat Sie mir als wahre Liebhaberin aller Dinge geschildert, die mit Shakespeare zu tun haben.»
    «Ja, in der Tat, das bin ich.»
    «Und hier ist sie.» Verblüfft stellte Mary fest, dass Williams Vater sie ein wenig an einen billigen Jakob erinnerte. So hatte sie sich seine Familie nicht vorgestellt. «Das ist das gute Stück, Miss Lamb.» Er entrollte ein Stück Pergament und tippte vorsichtig mit dem Zeigefinger darauf. «Erstklassig!»
    «Ich habe sie sorgfältig geprüft», erklärte Malone, dessen Lippen ihr erneut bedrohlich nahe kamen. «Die Handschrift stimmt exakt überein. Daran gibt es nichts zu rütteln.»
    «Ich bin entzückt», war alles, was sie herausbrachte.
    William merkte, wie verlegen sie war. «Miss Lamb, darf ich Sie ein kleines Stück begleiten?»
    «O ja, natürlich.»
    Nach einem hastigen Abschied bat er sie in die angenehm kühle Holborn Passage hinaus.
    «Verzeihung, dass ich Sie verwirrt habe», sagte er. «Beide sind wahre Enthusiasten.»
    «Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mr Ireland. Enthusiasmus ist nichts Unrechtes. Ich hatte einfach das Bedürfnis nach frischer Luft.»
    Schweigend spazierten sie am Stand eines Kunstblumenmachers vorbei, der immer an der Ecke der Holborn Passage und King Street stand.
    «Miss Lamb, ich muss Ihnen etwas beichten.»
    «Mir?»
    «Ich habe Ihnen erzählt, die Urkunde stamme aus einem Raritätenladen hinter dem Grosvenor Square. Das stimmt nicht. Sie stammt von der Person, die mir dieses Siegel gegeben hat.»
    «Ich verstehe nicht – »
    « – was das mit Ihnen zu tun hat? Selbstverständlich hat es nichts mit Ihnen zu tun. Kein Wort mehr darüber.»
    «Nein, ich meine, warum sollte diese Person so kostbare Dinge verschenken?»
    «Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen, Miss Lamb? Vor einem Monat saß ich im Kaffeehaus an der Maiden Lane. Kennen Sie es? Es hat eine wunderschöne Kuchentheke aus französischem Mahagoni. Ich hatte eine alte Schwarzdruckausgabe von Chaucers Canterbury-Erzählungen dabei, die ich kürzlich von einem Kunden in Long Acre gekauft hatte. Wie ich so darin blätterte, hörte ich eine Stimme, die eindeutig mir galt: ‹Sir, können Sie den Wert von Büchern beurteilen?› Die Stimme gehörte einer Frau mittleren Alters am Nebentisch. Sie war von Kopf bis Fuß tiefschwarz gekleidet, einschließlich Haube, Schultertuch und Schirm. Normalerweise sitzt eine Frau nicht allein in einem Kaffeehaus, nicht einmal an der Maiden Lane. Natürlich war ich ein bisschen verwirrt. Offensichtlich handelte es sich nicht um eine – liederliche Dame. Verzeihen Sie den Ausdruck, Miss Lamb. Dagegen sprachen schon ihr Alter und ihr Auftreten. Und meiner Ansicht nach war sie auch weder betrunken noch geistig verwirrt. ‹Welchen Wert, Madam?›, fragte ich.
    ‹Verstehen Sie etwas davon? Von Papieren und Büchern und ähnlichen Sachen?›
    ‹Das ist mein Beruf›, sagte ich.
    ‹Anwälten traue ich nicht über den Weg.› Ich bemerkte, dass sie eine Tasse Sassafras trank, ein Gebräu, das mir herzlich zuwider ist. ‹Wie Sie sehen, bin ich Witwe.›
    ‹Mein Beileid.›
    ‹Beileid ist hier fehl am Platz. Er war ein Ungeheuer. Allerdings hat er mir jede Menge Papiere hinterlassen.› Natürlich weckte das mein Interesse. ‹Mit Papieren kann ich nichts anfangen. Ich brauche einen Fachmann.› Wieder kam mir der Gedanke, sie könnte eine jener lächerlichen Frauengestalten sein, wie man sie häufig in den Londoner Straßen findet. Andererseits widersprach ihr umsichtiges und gefestigtes Auftreten diesem Eindruck. ‹Sir, vielleicht erscheint es Ihnen merkwürdig,

Weitere Kostenlose Bücher