Wie Fackeln im Sturm
hervor und trocknete ihre Tränen. Willa dankte ihm leise. Der ältere Mann gab ihr mit einem aufmunternden Nicken zu verstehen fortzufahren. So begann sie erneut:
„Kurz nach Deiner Geburt und Julianas Tod kam Tristan mit Garrod und einhundert Bewaffneten nach Claymorgan. Ich versteckte Dich und Eada in meinem Gemach und begrüßte den ungebetenen Besuch in der Großen Halle. Tristan war zornig und anmaßend. Als er seine Gemahlin zu sehen verlangte, führte ich ihn in Thomas' Kammer, wo Deine Mutter aufgebahrt lag. Ich denke, dass Tristan zunächst glaubte, Juliana schlafe, bis ich ihn darüber aufklärte, dass sie eine Totgeburt zur Welt gebracht habe und gestorben sei. Ich sagte ihm, dass sie in ihrem Zustand niemals hätte reiten dürfen, und fragte scheinheilig, warum sie D’Orland Castle überhaupt verlassen habe. Seine Antwort war ein Aufschrei tiefsten Kummers, den ich sehr wohl kannte. Nun litt er denselben Schmerz, den ich beim Tod meiner Gemahlin und meines Sohnes durchlebt hatte. In diesem Moment hatte ich sogar Mitleid mit ihm, aber allein seine Eifersucht hatte sowohl Juliana als auch Thomas in den Tod getrieben, und darüber hinaus stellte er für Dich eine Bedrohung dar Er hat nie nach dem Leichnam des Kindes gefragt. Ohne ein Wort zu verlieren, hob er Juliana vom Bett hoch, zog sie an seine Brust und verließ den Raum; ich hatte den Eindruck, dass er um Jahre gealtert war.
Erst nachdem der ganze Tross wieder abgezogen war, erfuhr ich, dass Garrod uns nach oben gefolgt war. Er kam nicht in Thomas’ Kammer, und ich hatte Angst, er könnte sich heimlich in den anderen Räumen umgeschaut haben. Eada hat ihn nicht gesehen, aber ich befürchtete, dass er den Säugling hätte hören können, wenn er meinem Gemach zu nahe gekommen wäre. Meine Angst fiel nicht von mir ab, als mir nach und nach zugetragen wurde, dass jemand, auf den Garrods Beschreibung passte, unten im Dorf und sogar einmal im Burghof gesehen worden war. Ich hatte meine ganze Familie verloren, mein liebes Kind. Und daher war ich fest entschlossen, nicht auch Dich noch zu verlieren. Ich ordnete an, Du solltest so lange in Thomas’ Kammer bleiben, bis ich sicher war, dass keine Gefahr mehr bestand. Ich schickte nach einer Amme aus dem Dorf, die Dich gemeinsam mit Eada versorgte. Aber dann kam eines Tages Luieus, Lord Wynekyn, zu Besuch. Wir waren seit Kindheitstagen miteinander befreundet, wie Du ja weißt, und ich war so stolz, dass ich Dich einfach zur Schau stellen musste. Ich trug einem Diener auf, die Amme und das Kind kommen zu lassen. Wie ich es genoss, meinem Freund das kleine Kind zeigen zu können! Als Du wieder zurückgebracht wurdest und ich gerade erklären wollte, wie ich zu diesem Kind gekommen war, hörten wir die Amme vor Entsetzen aufschreien. Luieus und ich stürzten in Thomas’ Gemach und sahen, dass die Amme Dich fest an sich drückte und entsetzt auf ihr eigenes Kind starrte. Sie hatte ihren Säugling in Deine Wiege gelegt, Willa, als sie Dich zu mir und meinem Besuch gebracht hatte. Nun lag ihre Tochter tot in der Wiege, das Gesicht blau verfärbt – sie war erstickt.
Kleinkinder sterben oft ohne ersichtlichen Grund. Plötzlich hören sie auf zu atmen. Dennoch, mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich dieses Kind erblickte und dachte, dass Du es hättest sein können. Meine Ängste ließen nicht nach, als ich erfuhr, dass auf der Treppe ein Mann gesehen worden war, der aus der Burg geeilt war, kurz bevor der Tod entdeckt wurde – der Beschreibung nach war es Garrod. Ich beschloss, Lord Wynekyn nicht in meine Befürchtungen einzuweihen und meine Ansicht für mich zu behalten. Ich war sicher, dass die Tochter der Amme von Garrod ermordet worden war. Er muss Dich mit diesem Kind verwechselt haben. Damals hätte ich mich an den König wenden müssen. Aber er befand sich noch auf dem Kreuzzug, während John das Land in seiner Abwesenheit verwaltete, und ich hatte keine Beweise, nur einen Verdacht. Vielleicht hatte ich auch Angst, man könnte Dich mir wegnehmen – wenn ich Dich nicht zu Deinem Vater zurückbrachte, der jedoch eine Gefahr für Dein Leben darstellte. Ich wollte Dich auch keinen fremden Ammen am Königshof überlassen. Daher kam ich zu dem Schluss, nichts über Dich verlauten zu lassen und Dich heimlich bei mir zu behalten. Du warst noch ein Kleinkind. Zuerst war es einfach, Dich zu verbergen. Ich ließ Dich in die Kammer neben meinem Gemach bringen und war entschlossener denn je, Dich nur im
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