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Wie Fackeln im Sturm

Wie Fackeln im Sturm

Titel: Wie Fackeln im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynsay Sands
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noch, aber in Thomas’ Gegenwart wirkte sie ängstlich und unruhig. Früher waren sie oft zusammen spazieren gegangen – immer nur im offenen Burghof, wie es sich ziemte – und hatten sich ungestört unterhalten. Aber jetzt vermied Juliana diese Spaziergänge. Tatsächlich ging sie Thomas aus dem Weg und sprach mit ihm nur dann. wenn ihr Gemahl oder Garrod anwesend waren, doch in solchen Augenblicken verhielt sie sich so steif und abweisend, dass Thomas ganz verwirrt war. Erst nachdem er sich seine Sporen als Ritter verdient hatte und wieder einmal zu Besuch auf D’Orland Castle war, um seinen Erfolg kundzutun, gelang es ihm, mit Juliana unter vier Augen zu reden und sie zu fragen, was vorgefallen sei. Da wurde er gewahr, dass Garrod sowohl Juliana als auch ihm ein falscher Freund war. Der junge Seneschall hatte erkannt, wie eifersüchtig Tristan war. Und anstatt seinen Onkel zu beruhigen, hatte er seine Ängste nur geschürt. Mit falscher Freundlichkeit und kalter Berechnung hatte er Thomas zu weiteren langen Aufenthalten auf D’Orland Castle ermuntert und bei jedem Besuch Tristans Eifersucht aufs Neue angefacht. Er hatte Juliana das Leben zur Hölle gemacht. Unmittelbar nach dem Gespräch mit Juliana war Thomas nach Claymorgan zurückgekehrt. Er war unglücklich, dass Garrod Juliana das Leben so schwer machte, und die einzige Möglichkeit, die er sah, um seiner Freundin zu helfen, war, sich so lange von D’Orland Castle fern zu halten, bis Tristans Eifersucht verflogen war. So beschloss mein Sohn, sich Richard Löwenherz’ Kreuzzug anzuschließen. Im Juli hatten sich unser Herrscher und seine Mannen mit Philipp IL von Frankreich und dessen Heerschar in Vezelay getroffen. Mittlerweile war es September, und unsere Truppen standen vor Messina auf Sizilien. Man erfuhr, dass sie sich eine Weile dort aufhalten würden. Wilhelm IL von Sizilien hatte versprochen, den Kreuzfahrern eine Flotte zur Verfügung zu stellen, doch dann war Wilhelm im November gestorben, und es kam zu Zwistigkeiten in der Thronfolge. Tancred von Lecce hatte Königin Johanna unter Hausarrest gestellt und den Schatz konfisziert, der den Kreuzfahrern zugedacht war. Thomas beschloss, nach Sizilien zu segeln, in der Hoffnung, die Gerüchte entsprächen der Wahrheit. Er wollte sich den Kreuzfahrern anschließen, ehe sie von Sizilien aus in See stachen. Natürlich hatte ich Angst um meinen Sohn, aber er war jetzt ein Mann und ein Ritter. Ich konnte ihn nicht aufhalten. So blieb mir nur die Hoffnung, dass die Kreuzfahrer längst fort wären, wenn Thomas in Sizilien eintraf. Wie sich herausstellte, war das Glück ihm hold. Sowohl die englischen wie auch die französischen Heere waren gezwungen, den Winter in Messina zu verbringen. So schlug auch Thomas sein Winterlager dort auf.
    Die nächsten acht Monate gingen ins Land, ohne dass viel geschah. Ich hatte meinen Bruder und seine Familie vertrieben, und mein Sohn hatte sich dem Kreuzzug angeschlossen. Mittlerweile hatte ich einen neuen Seneschall für Claymorgan gefunden, aber meinen Bruder vermochte er nicht zu ersetzen. Der neue Mann brauchte ständig Hilfe. Mein Verwalter auf Hillcrest war schon jahrelang bei mir und hatte keine Anleitung mehr nötig. Doch ich verbrachte die meiste Zeit des Jahres auf Claymorgan. So trug es sich zu, dass ein Bote in Claymorgan eintraf und mir berichtete, dass Thomas nicht vom Kreuzzug zurückkehren würde. Er hatte es nicht einmal bis Acco geschafft. Das Heer hatte Messina am 10. April verlassen. Thomas’ Schiff war eins von zwei Schiffen, die vor der Küste Zyperns kenterten. Das war ein herber Schlag für mich, Willa. Ich habe meinen Sohn sehr geliebt und war nun zutiefst verzweifelt. Mir kam es so vor, als sei ich sämtlicher Lebensfreude beraubt. Ich hatte meine ganze Familie verloren. Tagelang starrte ich düster ins Leere, fühlte nichts und nahm nichts mehr um mich herum wahr. Dann lief einer meiner Getreuen in die Große Halle, wo ich in die Flammen des Herdfeuers stierte. Er rief mir zu, dass eine Frau ohne Begleitung auf die Burg zuritt. Eine Dame. Diese Nachricht war ungewöhnlich genug, um mich aus meiner Trübsal zu reißen, und so begab ich mich in den Burghof, um zu sehen, was die Frau begehrte. Ich erkannte, dass es Juliana war. Sie war hochschwanger und litt großen Kummer. Unter Tränen fragte sie mich, wo Thomas sei. Als ich ihr eröffnete, dass er tot sei, wurde sie noch blasser, umfasste ihren Bauch mit beiden Händen und flüsterte:

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