Wie Fackeln im Sturm
er sehen, dass sie die Stirn in Falten zog. „Kommst du nicht mit? Willst du mich allein springen lassen?“
Hugh verzog gequält den Mund. „Willa … ich schwimme nicht.“
„Das hast du mir schon am Fluss gesagt, Hugh. Aber glaubst du nicht, dass es nun an der Zeit wäre, eine Ausnahme zu machen?“
„Nein. Du verstehst mich nicht. Ich schwimme nicht.“
„Du schwimmst nicht?“ Sie schwieg einen Moment lang, und dann konnte er ihren großen Augen entnehmen, dass sie begriffen hatte. „Du meinst, du kannst es nicht?“
Hugh zuckte innerlich zusammen. Er zog es vor, das Eingeständnis „Ich kann nicht schwimmen“ zu umgehen. Immer schon hatte er den hehren Fertigkeiten der Kampfeskunst mehr Bedeutung beigemessen als dem leichtfertigen Zeitvertreib des Dichtens oder Schwimmens. Das Geschick, das er sich mühevoll angeeignet hatte, hatte ihn bislang weitergebracht. Bis er Willa kennen gelernt hatte. Erst seit kurzem schienen die Fähigkeiten eines Ritters allmählich wieder gefragt zu sein. Sehr zu seiner Erleichterung zwang Willa ihn nicht, die Unzulänglichkeit offen zuzugeben. Stattdessen fragte sie: „Was wirst du tun?“
„Ich werde auf einen Baum klettern.“
„Das kannst du nicht!“ rief sie. „Du hast keine Zeit mehr. Er hat uns fast eingeholt.“
„Ein Grund mehr für dich, jetzt zu springen.“ Er drängte sie näher an den Abgrund.
„Hugh, ich bitte dich, komm mit mir. Ich werde für uns beide schwimmen.“
Hugh begann, den Kopf zu schütteln, aber sie umschloss sein Gesicht mit den Händen. „Du musst mir vertrauen, mein Gemahl. Ich werde dich nicht ertrinken lassen. Ich liebe dich.“
Bei dieser Offenbarung erstarrte Hugh. Das war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, ihm ihre Liebe zu gestehen, und der beste zugleich. Aber konnte er sich darauf verlassen, dass sie auch ihn in Sicherheit brachte? Er glaubte, dass er keine Chance hatte, wenn er nicht sprang. Aber er ahnte auch, dass er keine Chance unten im Fluss hatte. Aber Willa … Hugh war sich sicher, dass wenigstens sie durchkommen würde; sich selbst hielt er nur für eine Last, die Willas Überleben gefährdete.
„Vertrau mir“, flehte Willa ihn an.
Hin- und hergerissen, schloss Hugh die Augen. Plötzlich kamen ihm die Worte der Hexe in den Sinn, und er hatte das Gefühl, ihr Raunen dicht an seinem Ohr zu hören: „Ich sehe, dass Ihr vor einem Abgrund steht. Wenn Ihr Euch für einen der beiden Wege entscheidet, wird alles gut werden. Wählt Ihr aber den anderen … so erwartet Euch der Tod.“
Ein Rascheln neben ihm riss ihn aus den Gedanken, und als er die Augen öffnete, sah er, dass Willa ihr Untergewand ausgezogen hatte, damit es sie nicht behinderte. Unbekleidet trat sie vor ihn und reichte ihm die Hand.
Hugh zögerte kurz, doch dann ergriff er sie. Schon im nächsten Augenblick sprangen sie und stürzten sich in den Fluss.
Willa hatte das Gefühl, in einem Berg Schnee zu landen, so kalt kam ihr der Fluss vor. Vor Schreck hielt sie die Luft an und schloss rasch den Mund, als das rauschende Wasser über ihr zusammenschlug. Unsanft prallte sie am Grund des Flusses auf und biss vor Schmerzen die Zähne zusammen, doch noch im selben Moment stieß sie sich wieder mit den Füßen ab. Noch immer umklammerte ihre Hand die ihres Gemahls, und so zog sie ihn wieder mit an die Oberfläche. Erleichtert sog sie die Luft ein, als sie den Nachthimmel wieder über sich erblickte, doch da versuchte Hugh, sich von ihr zu lösen. Er rang nach Luft, und da er offensichtlich nicht wusste, wie er sich über Wasser halten sollte, schlug er in seiner Beklemmung wild um sich. Willa schwamm schnell hinter ihn, hielt eine Hand unter sein Kinn und zog ihn an ihre Brust, um seinen Kopf über Wasser zu halten.
„Nicht wehren“, keuchte sie und schlang den Arm enger um seinen Oberkörper. Dann wanderte ihr besorgter Blick hinauf zu dem Felsvorsprung, auf dem jetzt die Umrisse eines Mannes zu erahnen waren. Ob er mit seinem Bogen auf sie zielte, vermochte sie nicht auszumachen, doch sie wollte es nicht darauf ankommen lassen. Sofort hörte sie auf, sich gegen die Strömung zu stemmen, und ließ sich mit Hugh im Arm flussabwärts treiben.
In dieser Weise waren sie ein gutes Stück vorangekommen, bis Willa das Gefühl hatte, dass sie außer Schussweite waren; dann strebte sie in einem weiten Bogen das Ufer an und versuchte, die Strömung mit möglichst wenig Kraftaufwand zu überwinden. Dennoch hatte sie alle Mühe, Hugh ans rettende Ufer
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