Wie Fackeln im Sturm
zu ziehen. Zwar versuchte er, ihr zu helfen, indem er die Beine bewegte, aber er bewirkte genau das Gegenteil, denn bei jeder dieser Bewegungen versetzte er ihr ungewollt einen Tritt. Beinahe hätte sie ihm zugerufen, endlich damit aufzuhören, doch sie hielt sich zurück. Schließlich wollte sie ihn nicht völlig entmutigen; er sollte zumindest das Gefühl haben, auch etwas zu der Flucht im Fluss beigetragen zu haben. Willa war sich nämlich sehr wohl bewusst, dass ihr Gemahl sich Vorwürfe machte, seit der Hochzeit mehrfach versagt zu haben. Daher durfte sie seinen männlichen Stolz nicht unnötig verletzen.
„Kannst du noch? Wenn du zu erschöpft bist, dann lass mich los. Rette dich“, prustete Hugh, und mit einem Mal machte Willa sich bewusst, dass sie in der Tat am Ende ihrer Kräfte war. Ihr ganzer Leib schmerzte, und unbewusst hatte sie ihre Anstrengungen verlangsamt. Doch niemals würde sie Hugh loslassen. Willa wandte den Kopf nach hinten und sah mit Bestürzung, dass sie erst den halben Weg zum Ufer zurückgelegt hatten. Eigentlich hätten sie schon viel weiter sein müssen, doch dann merkte sie, dass die Strömung inzwischen reißender geworden war. Vermutlich war der Fluss an dieser Stelle nicht mehr ganz so tief. Vorsichtig tastete sie mit einem Fuß nach dem Grund, aber so flach, wie sie gehofft hatte, war der Fluss hier noch nicht.
Mit zusammengebissenen Zähnen strengte sie sich noch einmal an und war im Stillen froh, über Wochen ihren Körper ertüchtigt zu haben; somit war sie es gewohnt, Schmerzen zu ertragen. Nun tat sie das, was sie auf dem Übungsgelände gelernt hatte: Sie achtete nicht auf den Schmerz, verdoppelte ihre Anstrengung und zählte stattdessen die Schwimmbewegungen, um sich abzulenken. Der Einfall zeigte Wirkung. Dennoch, als sie eine halbe Ewigkeit später mit der Hacke festen Boden spürte, hätte sie vor Erleichterung schluchzen mögen.
Augenblicklich suchte sie mit beiden Beinen Halt und geriet kurz ins Taumeln. Offenbar glaubte Hugh, die Kräfte hätten sie verlassen, denn er versuchte verzweifelt, sie über Wasser zu halten, obwohl er selbst unterzugehen drohte. Dann spürte auch er festen Boden unter den Füßen, und Willa hörte ihn „Gott sei Dank“ murmeln, als er aufstand und ihr wieder auf die Beine half. Die Strömung war hier ungewöhnlich stark, und Willa war so erschöpft, dass Hugh sie stützen musste, um ans Ufer zu gelangen.
Unmittelbar nachdem sie das kalte Wasser verlassen hatten, fiel Willa kraftlos auf die Knie. Hugh kniete neben ihr und betrachtete sie mit besorgter Miene.
„Geht es dir gut?“ fragte er und nahm sie in den Arm, als sie zu zittern begann. Sie spürte, dass er mit beiden Händen ihren Leib rieb, um sie zu wärmen. Zunächst rieb er kräftig ihre Arme und Beine, ehe er sich dem Rücken und den Flanken widmete. Willa fühlte sich ein wenig entspannter, und die Kälte wich aus ihren Knochen. Sie waren gerettet. Sie waren nicht nur ihrem Verfolger, sondern auch dem tückischen Fluss entronnen. Alles andere war jetzt unbedeutend: ihre Erschöpfung, die Kälte, ihre Nacktheit …
Unerwartet rückte sie ein wenig von Hugh ab und richtete sich mit einem leisen Aufschrei kerzengerade auf.
„Was ist?“ fragte Hugh und blickte sich erschrocken um.
„Ich habe nichts an!“ rief sie empört.
Hugh entspannte sich wieder, und ein Lächeln umspielte seine Lippen, als aus den reibenden Bewegungen allmählich Liebkosungen wurden. „Ja, richtig. Und deine Blöße gefällt mir.“
Willa verdrehte die Augen und schnalzte ungehalten mit der Zunge, während sie mühsam aufstand. Nur ein Mann war in der Lage, diesem Missstand noch etwas Vorteilhaftes abzugewinnen. Schließlich musste ja nicht er ohne ein einziges Kleidungsstück ins Lager zurückkehren!
Hugh stand nun neben ihr, und das Verlangen in seinen Augen wich aufrichtiger Sorge. „Vielleicht solltest du dich noch ein wenig ausruhen. Du hast nach Leibeskräften um unser Leben gekämpft.“
„Wir haben um unser Überleben gekämpft“, widersprach Willa ihm energisch und schlug forsch eine Richtung ein, in der sie das Lager vermutete.
„Nein, du hast uns gerettet“, verbesserte Hugh sie, doch das Eingeständnis kam ihm nicht so leicht über die Lippen.
„Nein“, beharrte Willa. „Wir haben uns gerettet. Du hast uns zuerst gerettet, dann habe ich mein Bestes getan. Wir haben uns gerettet.“
„Und wie habe ich uns gerettet?“ erkundigte er sich verblüfft und drückte mehrere
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