Wie Fackeln im Sturm
Wachposten am Feuer durch Hughs Ruf gewarnt worden und würde ihnen zu Hilfe eilen, aber es war unklug, sich auf ihn zu verlassen, wenn todbringende Pfeile durch die Luft schwirrten – Willa zweifelte keinen Moment daran, dass das sirrende Geräusch von einem Pfeil kam. Wer auch immer dort in den Schatten stand, es handelte sich offensichtlich nicht um einen ihrer Getreuen, der sich im Wald erleichtern wollte.
Da ihr bewusst war, dass Hugh unmittelbar hinter ihr lief und weiteren Pfeilen ausgesetzt war, rannte Willa so schnell, wie ihre Beine sie trugen. Sie durfte ihren Gemahl jetzt nicht verlieren.
Plötzlich riss Hugh an ihrem Arm und zog sie rechter Hand in das Unterholz, und Willa behielt die neue Richtung, ohne nachzudenken, bei. Mit einer geschickten Drehung, die ihr Lucan bei den Schwertübungen beigebracht hatte, gelang es ihr, einem Baumstamm auszuweichen. Allerdings riss sie sich durch die schnelle Bewegung von Hughs Hand los, aber als er bereits im nächsten Augenblick wieder bei ihr war, wusste sie, dass auch er dem Hindernis ausgewichen war.
Wenige Augenblicke später zerrte Hugh sie linker Hand durch das Buschwerk, diesmal jedoch nicht ganz so schroff. Wieder stürmten sie weiter durch die Dunkelheit, ohne zu straucheln. Willa war sich sicher, dass sie ohne die zahlreichen Übungsstunden niemals so schnell und weit hätte laufen können. Die ersten Anzeichen von Erschöpfung machten sich indes bemerkbar, als sie den Waldrand erreichten, und Willa blieb alsbald schwer atmend stehen. Doch unglücklicherweise hatte Hugh nicht damit gerechnet und trat ihr aus Versehen in die Ferse. Trotz des Schmerzes war Willa froh, dass eine innere Stimme sie zur Vorsicht gemahnt hatte, denn im Sternenlicht erkannte sie, dass wenige Schritte vor ihnen ein dunkler Abgrund gähnte.
„Was ist?“ fragte Hugh und suchte erneut ihren Arm. Dann trat er neben sie und spähte ebenfalls über den Rand des Abgrunds. Ein Fluch entwich ihm, als er auf das Wasser hinabblickte, das tief unter ihnen im Licht der Sterne glitzerte. Schon wandte er sich ab, und Willa sah, dass er verzweifelt nach einem Versteck Ausschau hielt. Jetzt, da sie am Waldrand standen, war es viel heller. Hell genug, um das Gesicht des anderen zu sehen – leider auch hell genug, um ein gutes Ziel für ihren Verfolger abzugeben.
„Zurück zu den Bäumen“, zischte er, nahm sie bei der Hand und zog sie in Richtung Wald. „Wir klettern auf einen Baum und hoffen, dass er uns nicht sieht.“
„Aber was ist, wenn er uns doch bemerkt?“ gab Willa zu bedenken und verlangsamte ihre Schritte. „Er wird uns wie lahme Tauben mit seinen Pfeilen treffen.“
Mit verzweifelter Miene drehte Hugh sich zu seiner Gemahlin um. Nicht weit entfernt verrieten knackende Äste, dass der Verfolger allmählich näher kam. Jetzt war nicht die Zeit, seine Entscheidungen infrage zu stellen. Warum konnte sie ihm nicht einfach gehorchen. „Willa, wir …“
„Mein Gemahl“, entgegnete sie rasch. „Er wird zuerst in die Bäume schauen, aber er wird nicht damit rechnen, dass wir den Sprung wagen. Und sieh doch.“ Sie breitete die Arme aus und lenkte seinen Blick auf das helle Untergewand, das sie am Leib trug. „Ich habe mich im Dunklen angezogen. Ich dachte, ich hätte mein Gewand angelegt, aber es ist mein Hemd.“
Hugh schluckte, als der Schreck ihm in die Glieder fuhr. Ihr weißes Untergewand war selbst in der Nacht gut zu erkennen.
„Lass uns springen“, drängte sie ihn. „Ich bin eine gute Schwimmerin. Ich bin an vielen Sommertagen geschwommen, nachdem wir in die Waldhütte gezogen waren.“
Die knackenden und raschelnden Geräusche, die der Verfolger im Unterholz machte, kamen bedrohlich näher, aber Hugh zauderte immer noch. Im Geiste ging er die Möglichkeiten durch, die Willa, ihm selbst und ihnen gemeinsam blieben. Endlich nickte er und drängte sie zurück an den Rand des Abgrunds. Als er hinunterschaute, hätte er es sich am liebsten noch einmal anders überlegt. Die Höhe war beängstigend, der Sprung mehr als gewagt. Unglücklicherweise war es zu spät, um sich noch anders zu besinnen. Er zog Willa für einen kurzen Kuss an sich und sagte dann eindringlich: „Schwimm flussabwärts, soweit du kannst. Es ist zu gefährlich, den Weg zurück zum Lager einzuschlagen. Du könntest dem Verfolger geradewegs in die Arme laufen. Renn stattdessen am Fluss entlang, bis du die nächste Burg erblickst. Man wird dir Hilfe anbieten.“
Selbst in der Dunkelheit konnte
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