Wie funktioniert die Welt?
anerkennen – das heißt, bei Psychopathen. [31]
Menschen ordnen nicht nur gute, moralische Dinge als »hoch« ein, sondern sie stellen sich auch Gott »oben« und den Teufel »unten« vor. Wie Thomas Schubert außerdem zeigen konnte, werden auch die Mächtigen begrifflich im Vergleich zu denen, über denen sie schweben und die Kontrolle ausüben, als hochgestellt eingeordnet. [32] Alle empirischen Belege deuten darauf hin, dass es tatsächlich eine begriffliche Dimension gibt, die sowohl buchstäblich als auch metaphorisch nach oben führt. Diese vertikale Dimension, die den Geist emporzieht und ihn jede möglicherweise vorhandene Macht als »höher« betrachten lässt, ist im grundlegenden physischen Erleben der Vertikalität tief verwurzelt.
Vertikalität hat nicht nur Einfluss darauf, wie Menschen das Gute, Moralische und Göttliche repräsentieren, sondern die räumliche Bewegung in der vertikalen Dimension kann sogar ihr moralisches Handeln verändern. Lawrence Sanna, Edward Chang, Paul Miceli und Kristjen Lundberg konnten kürzlich einen interessanten Nachweis führen: Manipuliert man die Position eines Menschen in der vertikalen Dimension, kann man ihn zu einem stärker »hochgesinnten« und »aufrechten« Bürger machen. Nach ihren Feststellungen entwerfen Menschen, die in einem Einkaufszentrum gerade mit einer Rolltreppe aufwärts gefahren sind, häufiger etwas in eine Spendendose als Personen, die sich gerade auf der Rolltreppe nach unten bewegt haben. Ähnlich verhielten sich auch Versuchspersonen, die zuvor in einem Film eine Aussicht von hoch oben gesehen hatten – einen Flug über den Wolken, gefilmt aus dem Fenster eines Flugzeugs: Sie ließen anschließend ein kooperativeres Verhalten erkennen als Personen, die einen eher gewöhnlichen, weniger »erhebenden« Blick aus einem Autofenster gehabt hatten. Körperlich höher zu stehen veranlasst Menschen also auch, sich nach »höheren« moralischen Werten zu verhalten. [33]
Die wachsende Erkenntnis, dass verkörperte Metaphern eine gemeinsame Sprache des Geistes darstellen, führte zu grundlegend neuen Untersuchungsmethoden für das Denken der Menschen. Unter der Annahme, dass der Geist wie ein Computer funktioniert, wollten Psychologen beispielsweise etwas über das Denken der Menschen herausfinden, indem sie beobachteten, wie sie Schach spielen oder sich Listen von Zufallswörtern einprägen. Aus der Perspektive der Körperlichkeit ist klar, dass solche wissenschaftlichen Versuche zum Scheitern verurteilt waren. Wie sich zunehmend herausstellt, muss die kognitive Tätigkeit jedes Lebewesens einschließlich des Menschen bestimmte Herausforderungen der Anpassung an die physikalische Umwelt bewältigen. Dabei sind verkörperte Metaphern die Bausteine von Wahrnehmung, Kognition und Aktion. Viel einfacher und eleganter geht es nicht mehr.
Benjamin K. Bergen
Metaphern im Kopf
Außerordentlicher Professor für Kognitionsforschung, University of California, San Diego
Ich erforsche die Sprache, und in meinem Fachgebiet hat es im Laufe der Jahrhunderte eine ganze Reihe umwälzender neuer Erklärungen gegeben. Eine davon betrifft die Frage, wie Sprachen sich im Laufe der Zeit wandeln. Eine andere erklärt, warum alle Sprachen bestimmte Eigenschaften gemeinsam haben. Meine Lieblingserklärung ist aber diejenige, die mich ursprünglich für die Sprache und den Geist begeistert hat: eine Erklärung für Metaphern.
Wenn man sich genau ansieht, wie wir Sprache gebrauchen, stellt man fest, dass wir vieles metaphorisch ausdrücken – wir sprechen von bestimmten Dingen, als wären sie etwas anderes. Politische Kampagnen beschreiben wir wie Pferderennen: »Senator Jones
liegt vorn
.« Moral ist Sauberkeit: »Das war ein
schmutziger
Trick.« Und Verständnis heißt sehen: »Neuer Befund
bringt Licht
in die Struktur des Universums.«
Metaphern erkennen die Menschen schon seit sehr langer Zeit. Bis gegen Ende des 20 . Jahrhunderts waren sich nahezu alle über eine bestimmte Erklärung einig, die sehr hübsch von Aristoteles formuliert worden war. Metaphern galten als ausschließlich sprachliches Hilfsmittel – als eine Art griffige Formulierung –, bei dem man das eine mit dem Namen eines anderen belegt, dem es ähnlich ist. Diese Definition für Metaphern haben vermutlich die meisten von uns auf der Oberschule gelernt. Danach kann man dann und nur dann metaphorisch sagen »Julia ist die Sonne«, wenn Julia und die Sonne sich ähnlich sind –
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