Wie funktioniert die Welt?
Bildern veröffentlicht wurden. In
Patterns
gab Richter die genauen Regeln vor, aber er manipulierte das Ergebnis nicht; die Bilder sind also wiederum durch die Wechselbeziehung zwischen einem definierten System und dem Zufall entstanden.
Patterns
ist eines von vielen herausragenden Kunstbüchern, die Richter in den letzten Jahren veröffentlicht hat; andere sind
Wald
( 2008 ) und
Eis
( 1981 ), in dem der Künstler in einem besonderen Layout seine Fotos von einer Antarktisreise zeigt. Das Layout dieser Bücher besteht aus Abschnitten mit unterschiedlichen Bildanordnungen, die aber auch leere Räume enthalten – wie Pausen. Wie Richter mir erzählte, hat diese Gestaltung mit Musik, Cage und Schweigen zu tun.
Im Jahr 2007 entwarf Richter für das südliche Querhaus des Kölner Doms ein 20 Meter hohes Bogen-Glasfenster. Das
Kölner Domfenster
besteht aus 11 000 mundgeblasenen Glasquadraten in 72 Farben, die sich von der Palette der ursprünglichen, im Zweiten Weltkrieg zerstörten mittelalterlichen Verglasung ableiten. Die Hälfte der Quadrate wurde mit einem Zufallsgenerator verteilt, die andere Hälfte bildet gewissermaßen ein Spiegelbild dazu. Wieder wird bis zu einem gewissen Grade die Kontrolle abgegeben, was auf Richters Interesse an Cages Gedanken schließen lässt, die mit dem Zufall und der Unterwerfung des Individuums unter Kräfte, die sich seiner Kontrolle entziehen, zu tun hat. »Zufälle sind nur dann nützlich«, sagte Richter mir einmal, »wenn sie erarbeitet sind – das heißt, sie werden entweder beseitigt oder zugelassen oder betont.«
In Halberstadt begann kürzlich eine Aufführung von Cages Stück » ORGAN 2 / ASLSP « von 1987 . » ASLSP « steht für »as slow as possible«, so langsam wie möglich. Cage erläuterte diese Anweisung nicht weiter, das heißt, jede Aufführung der Partitur wird anders sein. Die derzeitige Aufführung wird bis zu ihrem Ende 639 Jahre dauern. Die Langsamkeit in Cages Stück ist ein unverzichtbarer Aspekt für unsere Zeit. Mit Globalisierung und Internet wurden alle Prozesse auf eine Geschwindigkeit beschleunigt, bei der keine Zeit mehr für kritisches Nachdenken bleibt. Deshalb rät uns die derzeitige »Entschleunigungsbewegung«, uns Zeit für gutdurchdachte Entscheidungen zu lassen und uns stärker lokal zu orientieren. Die Idee der Langsamkeit ist einer der vielen Aspekte, derentwegen Cage für das 21 . Jahrhundert nach wie vor von größter Bedeutung ist.
Richters prägnanter Titel
Cage
lässt sich zu einer umfangreichen Interpretation dieser abstrakten Gemälde (und anderer Werke) entfalten – aber man kann auch sagen: Die Kurzform umfasst bereits alles. Der Titel entschlüsselt wie die Beschreibung eines Phänomens die Werke und beschreibt ihre Beziehung zu John Cage, einer der wichtigsten kulturellen Gestalten des 20 . Jahrhunderts, der mit Richter die großen Themen von Zufall und Unsicherheit gemeinsam hat.
Seth Lloyd
Die wahre Rotationssymmetrie des Raumes
Professor für quantenmechanische Technik, Massachusetts Institute of Technology; Autor von Programming the Universe
Die folgende tiefgreifende, elegante, schöne Erklärung für die wahre Rotationssymmetrie des Raumes stammt von dem verstorbenen Sidney Coleman, der sie in dieser Form in seiner Vorlesung »Physik für Fortgeschrittene« an der Harvard University präsentierte. Sie hat die Form einer körperlichen Handlung, die man selbst vornimmt. Die Erklärung ist zwar elegant, aber sprachlich seltsam und auch seltsam in der körperlichen Ausführung. Möglicherweise muss man ein paarmal üben. Also stehen Sie auf und machen Sie sich bereit: Sie werden auf eindringliche, persönliche Weise die wahre Rotationssymmetrie des Raumes erleben!
Im Grundsatz beruhen die Gesetze der Physik auf Symmetrie, und eine der umfassendsten derartigen Symmetrien ist die Rotationssymmetrie des Raumes. Der Körper mit der stärksten Rotationssymmetrie ist die Kugel. Also nehmen wir eine Kugel, beispielsweise einen Fußball oder Basketball, der an einer Stelle eine Kennzeichnung, ein Logo oder eine besondere Beschriftung trägt. Den Ball drehen wir um eine beliebige Achse: Wegen der Rotationssymmetrie des Raumes bleibt die Form der Kugel trotz der Drehung unverändert. Wenn die Kugel eine Kennzeichnung trägt und dann um 360 Grad gedreht wird, kehrt die Kennzeichnung an ihre Ausgangsposition zurück. Na los, probieren Sie es. Nehmen Sie den Ball in beide Hände und drehen sie ihn um 360 Grad, bis
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