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Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition)

Titel: Wie geht's, Deutschland?: Populisten. Profiteure. Patrioten. - Eine Bilanz der Einheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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wegen seines Zuchthauses, dem schlimmsten der DDR neben dem in Bautzen, sind während der Nazizeit etwa dreitausend Patienten in die Euthanasie geschickt, also ermordet worden. Das Diakonische Werk, das heute die Kliniken betreibt – neben der Psychiatrie eine Krebsstation und eine Lungenheilanstalt – hat sich dieser dunklen Vergangenheit gestellt und in einem kleinen Museum dokumentiert, was einst hier geschah. Ich suche aber nach Spuren aus der anderen finsteren Zeit, nach Beweisen, dass die zitierte Anordnung des MfS, Mittel und Methoden des Psychoterrors »schöpferisch und differenziert anzuwenden, auszubauen und weiterzuentwickeln«, gerade an einem abgelegenen Ort wie diesem befolgt worden ist. Ich finde nichts. Der Datenschutz, eine Errungenschaft der bürgerlichen Zivilgesellschaft, setzt meiner Neugier auch hier in Zschadraß Grenzen.
    Die einst Anordnungen zum Psychoterror nicht hinterfragenden MfS-Vollstrecker haben sich in der Neuzeit, allerletztes Aufgebot fürs letzte Gefecht, Volkssturm ohne Volk, gesammelt in den Vereinigungen ISOR oder GRH. Das eine ist die Abkürzung für die »Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR e.V.«, wobei unter die bewaffneten Organe alle fallen, die beim Zoll, der Polizei, der Armee, den Kampfgruppen und eben auch der Stasi waren, und die Buchstabenkombination GRH steht für eine »Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung«, zu der hauptsächlich die hochrangigen ehemaligen Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit gehören, darunter auch der letzte Leiter des MfS vor seiner Abwicklung, der Genosse Wolfgang Schwanitz.
    Die ISOR kümmert sich vorrangig um Soziales, die GRH mehr um »Opfer der politischen Strafjustiz«, und da die Gesellschaft der Ehemaligen vom zuständigen Finanzamt als gemeinnützig anerkannt worden ist, können Spenden von der Steuer
abgesetzt werden. Die Zahl der Mitglieder der ISOR, die unter anderem unterstützt werden von der DKP, wird auf 26 000 geschätzt, die der GRH, in der die ehemalige Nomenklatur der Stasi agitiert, auf knapp 1500. Richard Schröder: »Es sind Vereine derer, die noch immer ihre Wunden lecken. Wer sie aber verbieten will, glaubt nicht an Demokratie. Dann hätten sie gewonnen und wir verloren. Solange keine Gesetze verletzt werden, ist in einem demokratischen Rechtsstaat jeder Blödsinn erlaubt. Ich finde es allerdings ärgerlich, dass Gysi und Modrow bei solchen Figuren auftreten, das ist eine Art von Unlauterkeit.«
    ISOR und GRH sind keine Gefahr, ergänzt ihn Wolfgang Böhmer, »sie nutzen die Möglichkeiten der Demokratie aus, und das muss man aushalten.« Auch Marianne Birthler, oberste Herrin über die Akten, in denen die Stasi-Mitarbeiter mit Namen und Dienstrang und Taten verzeichnet sind, hält nichts davon, die ehemaligen Überwacher nunmehr vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Zwar seien diese Vereine entschiedene Verharmloser des Unrechts und eifrig bemüht, alles Damalige unentwegt schönzureden, um damit auch sich selbst von jeder Verantwortung und Schuld reinzuwaschen, aber man solle sie einfach durch stets wache Aufmerksamkeit lahmlegen, also nur »politisch unter Beobachtung stellen«. Allerdings haben GRH und ISOR wohl, doch das lässt sich nicht eindeutig belegen, zu viele stille Unterstützer, die angeblich Abstand halten zur alten DDR, aber gern betonen, es sei ja nun wirklich nicht alles schlecht gewesen.
    Dritter im lauten Männerbund der Unlauteren ist eine »Initiativgruppe Kundschafter des Friedens«, kurz IKF, gleichfalls im Vereinsregister eingetragen. Der gutmenschelnde Name täuscht, denn die von Erich Mielke einst als »glühende Patrioten und Helden des geheimen Kampfes« gepriesenen Mitarbeiter seines Ministeriums und der Militäraufklärung der Nationalen Volksarmee waren schlichtweg Agenten und Spione, wie sie jeder Staat der Welt beschäftigt. Ihr Anliegen heute ist der Kampf »gegen das Beitrittsunrecht« und die »Unterstützung der von Strafverfolgung betroffenen Kundschafter«.
    Im »Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden e.V.« (OKV), nach eigenen, umständlich formulierten Angaben ein »Netzwerk von Initiativen und Vereinen, die sich der Überwindung von Diskriminierungen, Defiziten und Benachteiligungen im Prozess der Vereinigung Deutschlands verschrieben haben«, sind alle drei dabei. Unterstützt wird dieses Kuratorium unheilbarer DDR-Deutscher von der

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