... Wie Gespenster in der Nacht
Feuers waren mit Sicherheit längst alle beseitigt worden …
Vor der vierten Tür auf der linken Seite blieb Fiona stehen. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass sie das Zimmer aus ihrer Kindheit gefunden hatte. Manche Erinnerungen saßen zu tief und waren zu mächtig, als dass die Zeit ihnen etwas anhaben könnte. Sie stand reglos und lauschte. Von innen kam nicht das kleinste Geräusch.
Absolut nichts.
Sie hob ihre Hand und klopfte an. Die Frau, deren Fingerknöchel da leise auf das dunkle Holz pochten, schien ihr eine Fremde zu sein. Was sollte sie sagen, wenn jemand öffnete? Sie wappnete sich und klopfte erneut, diesmal lauter.
Als niemand antwortete, drückte sie vorsichtig die Klinke herunter. Die Tür schwang auf. Vom Korridor aus erkannte sie ein frisch bezogenes Doppelbett, das auf Gäste wartete, die heute nicht mehr ankommen würden.
Fiona betrat das Zimmer, bevor es der Stimme in ihrem Kopf gelingen würde, sie davon abzuhalten. Winzige Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Oberlippe; ihre Hände zitterten. Sie machte vier Schritte in den Raum, dann lehnte sie sich an die Wand, die Hände hinter dem Rücken, und starrte ihre Vergangenheit an.
Gute Nacht, mein süßer Schatz! Schlaf gut in deinem kleinen mollig warmen Bettchen! Nichts kann dir geschehen, wir sind direkt nebenan. Deine Mum kommt gleich und deckt dich zu. Und dann ist auch schon gleich Morgen und Duncan wieder zurück.
Fiona schloss die Augen, doch sie konnte das Zimmer von damals immer noch sehen. Ihr Vater beugte sich über sie und küsste sie auf die Stirn, sie konnte den schwachen Duft seines Aftershaves und von Pfeifentabak riechen. Sie schlang die kleinen Ärmchen um seinen Hals. Der Schlaf machte ihr die Lider schon so schwer …
Die Erinnerung war so real wie ihr eigener Herzschlag. Sie war schon fast eingeschlafen, als die Tür zum Zimmer wieder aufging …
Fiona, du Racker! Hattest du geglaubt, ich würde nicht sehen, dass du die Küchenwand bemalt hast? Was sollen wir nur mit dir machen? So ein Mädchen wie dich hat es bestimmt noch nicht gegeben!
Eine weibliche Stimme, und trotz des strengen Vorwurfs nachsichtig. Der Duft war dieses Mal leicht und blumig, die Lippen warm und weich auf ihrer Stirn.
Ist dir kalt, Darling? Soll ich deine kleine Heizung anstellen?
Fiona riss die Augen auf. Natürlich gab es längst keinen Heizlüfter mehr in diesem Zimmer. Nichts war hier mehr so, wie es vor zweiundzwanzig Jahren gewesen war. Das Feuer hatte alles verschlungen, bis weit den Korridor hinunter. Hatte sogar den Putz von den Wänden platzen lassen. Wäre das Haus nicht aus soliden Steinen gebaut, wäre wohl nichts von ihm übrig geblieben.
„Ich hatte befürchtet, dass ich dich hier finden würde.“
Einen Moment lang war Fiona sich nicht sicher, ob die Stimme echt war oder sie sie sich nur einbildete. Sie drehte sich zur Tür und sah Andrew dort stehen.
„Ich dachte mir, dass du keinen Schlaf finden würdest, bevor du es nicht gesehen hast.“ Langsam kam er auf sie zu. „Ich an deiner Stelle hätte auch nicht schlafen können.“
„Es ist verrückt.“ Sie drehte sich wieder zum Zimmer um. „Ich habe es gefunden. Nach all den Jahren wusste ich auf Anhieb, wo es liegt und wohin ich gehen muss. Mein Bett stand da, glaube ich, und Duncans dort. Ich war in jener Nacht so wütend auf ihn, weil er über Nacht bei dir und Iain geblieben war. Immer war er weg, oder du und Iain waren hier. Es gefiel mir nicht, immer ausgeschlossen zu sein.“
„Hast du genug gesehen?“
Sie schloss die Augen, und ein machtloser beklommener Seufzer stieg tief aus ihrem Innern empor und floss über ihre Lippen. „Ich habe es so oft gesehen. In allen meinen Träumen.“
Starke Arme schlangen sich um sie. Sie ließ sich an Andrews Brust ziehen. Weder hätte sie zurückweichen noch sich wehren können. Sie wollte von ihm gehalten werden. Die weiche Baumwolle seines Hemdes streifte ihre Wange, aber das war das einzig Weiche an ihm. Seine Brust war hart wie Stein und solide wie die Mauern des Hotels.
Er streichelte ihr Haar. Kurz blieben seine Finger in den Locken hängen, befreiten sich wieder. „Erinnerst du dich noch an mehr?“
„Ich erinnere mich an alles.“
„Willst du … es mir erzählen?“
Sie schüttelte stumm den Kopf. Nein, sie verspürte kein Verlangen, diesen Erinnerungen laut Ausdruck zu geben. Sie hatte schon vor Langem gelernt, dass niemand es ertrug, zuzuhören.
„Dann erzähle ich dir, an was ich mich
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