... Wie Gespenster in der Nacht
Gelegenheiten passe ich schon auf.“
„Und ich vermute, solche Gelegenheiten ergeben sich oft?“
„Nicht so oft, wie man dir wahrscheinlich eingeredet hat.“
Dieses Mal war sie es, die vielsagend lächelte. „Hatten wir diesen Wortlaut nicht gerade erst?“
Er ließ sich neben ihr in der Hocke nieder, stützte sein Gewicht mit den Fersen ab. „Und? Wie lautet dein Urteil über meinen Poppy?“
„Ich denke, er ist schlichtweg beeindruckend.“
„Da werde ich nicht genauer nachfragen, wie du das meinst.“ Er kraulte dem Hund die Ohren, aber Poppy hielt die treuen Hundeaugen fest auf Fiona gerichtet. „Er scheint ganz hingerissen von dir zu sein.“
„Er ist eben ein kluger Hund.“
„Sollen wir ihn mitnehmen?“
„Ja, nehmen wir ihn mit.“ Sie hob den Blick und stellte erst jetzt fest, wie nah Andrews Gesicht dem ihren war. Das Mondlicht schien auf sein Gesicht. Es betonte die hohen Wangenknochen und das markante Kinn, zeichnete die gerade Linie seiner Nase nach. Er hatte ein keltisches Gesicht, kriegerisch, heidnisch, geheimnisvoll. Aber Andrew lächelte und scherzte so oft und gern, dass wahrscheinlich nur wenige die Leidenschaft und die Rätsel erkannten, die tief in seinen grünbraunen Augen brannten.
„Ich bin froh, dass du mitgekommen bist“, sagte er leise. Die lockere Ausgelassenheit war vorüber. Er war ihr nah genug, um ihre Gedanken zu lesen, und zu nah, um die eigenen vor ihr zu verbergen.
„Ich bin auch froh.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.“
„Ich auch nicht.“
„Ich habe mich heute Abend unmöglich benommen.“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“
„Dein Bruder hat mich gewarnt, dass ich mich von dir fernhalten soll.“
Ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Ich weiß. Geht es jetzt um Duncan?“
„Nein. Es geht darum, dass ich Angst habe, dir wehzutun.“
„Du kannst mir nur wehtun, wenn ich es zulasse.“ Ihr Atem ging flach und unregelmäßig, so als gäbe es nicht genügend Luft in ganz Schottland, um ihre Lungen zu füllen.
Weder rührte er sich, noch sagte er ein Wort. Sein Blick glitt unwillkürlich zu ihren Lippen, dann zurück zu ihren Augen. Sie konnte zusehen, wie Vorsicht und Verlangen miteinander verschmolzen, bis es keinen Anfang mehr gab und kein Ende. Ihr Begehren wurde zu einem Magnetfeld, das sie beide gefangen hielt, sosehr sie sich auch dagegen zu wehren versuchten.
Irgendwann richtete Andrew sich auf. „Ich lichte den Anker.“
„Brauchst du eine Crew?“ Die Stimme, die über ihre Lippen kam, klang seltsam belegt und atemlos. Es konnte unmöglich ihre sein. „Ich werde tun, was immer du mir aufträgst.“
„Dieses Mal nicht. Ich möchte, dass du dich zurücklehnst und die Fahrt genießt. Es ist immer etwas Besonderes, das erste Mal auf unserem See. Halt die Augen auf – vielleicht siehst du ja meinen Darling. Sie ist immer in der Nähe.“
Fiona fragte nicht, ob er es wirklich sicher wusste oder ob er sie nur neckte. Sie vermutete, dass er die Antwort selbst nicht kannte. Und es standen bereits genug offene Fragen zwischen ihnen. Sie machte es sich auf einem der Sitze am Bug bequem und starrte auf den See hinaus. Als das leise Brummen des Bootsmotors die Nacht mit einem ganz eigenen Rhythmus untermalte und das Boot vom Pier ablegte, kuschelte sie sich tiefer in die Polster.
Poppy sprang auf den Sitz zu ihrer Linken. Fiona hielt den Blick auf das Wasser gerichtet, auch wenn sie viel lieber Andrew zugesehen hätte, wie er das Boot steuerte. Der Wind spielte mit ihren Haaren, und abwesend kraulte sie dem Hund die samtweichen Ohren, während sie den Horizont nach dem stolz emporragenden Kopf eines Wasserdrachen absuchte.
Am Seeufer schimmerten die Lichter der Straßen und Häuser, blitzten zwischen Bäumen auf und verschwanden wieder. Abgesehen von den kleinen gemütlichen Ferienhäusern am gegenüberliegenden Ende des Sees gab es keinerlei Tourismus am Loch Ceo, und die Cottages wurden schon seit Jahr und Tag von den immer gleichen Familien angemietet.
„Was siehst du?“
Das Boot hatte die Fahrt verlangsamt, stand aber nicht ganz still. Fiona hatte nicht damit gerechnet, doch jetzt kam Andrew zu ihr. Sie sah zu ihm hoch. „Alles und nichts. Es ist noch schöner, als ich es mir vorgestellt hatte.“
„Zu dieser Zeit bin ich am liebsten hier draußen. Dann ist hier meist keine andere Menschenseele, nur selten ein furchtloser Fischer.“
„Du wirst es nie leid, nicht wahr?“
Er setzte sich zu
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