... Wie Gespenster in der Nacht
nicht finden, nur trübselige Gedanken und die kläglichen Überbleibsel eines Traums.
Primrose strolchte ans Ufer, nachdem man ihn seiner gemütlichen Decke beraubt hatte, die Fiona jetzt zusammenfaltete. Er begann zu bellen.
Sie sah auf den See hinaus. Ein Boot steuerte auf sie zu. Sie beschattete die Augen gegen die blendende Sonne und erkannte MacDougall’s Darling. Andrew stand am Ruder. Er kam näher, bis er schließlich seitwärts zum Ufer trieb.
Übermütig winkte sie, entschlossen, sich ihre Selbstzweifel nicht ansehen zu lassen. „Ahoi, Captain!“
Er steuerte das Boot so nah wie möglich an den Uferrand, ohne auf Sand zu laufen, und winkte Fiona zu, damit sie an Bord kam. Zweifelnd sah sie auf den Abstand, doch Andrew kam zum Bug und streckte seine Hand aus. Sie nahm sie, kletterte an Bord, und schon stand sie neben ihm.
„Für eine morgendliche Bootsfahrt unterwegs?“, fragte sie unbeschwert.
„Aye.“ Das Wort war ein kaum vernehmbares Krächzen.
„Andrew? Ist alles in Ordnung mit dir?“
Er schüttelte nur den Kopf und runzelte die Stirn so stark, dass seine Augenbrauen nur eine einzige Linie zu sein schienen.
„Du kannst nicht sprechen?“
„Nein.“
Die Antwort machte es überdeutlich. „Du armer Kerl.“ Sie befühlte seine Wangen, seine Stirn. Beides fühlte sich kühl an. „Tut dir was weh?“
Wieder schüttelte er den Kopf. Er erwähnte seinen Stolz nicht, aber sie vermutete, dass der schwer verwundet war.
„Kehle? Brust? Kopf?“ Bei jeder ihrer Fragen schüttelte er den Kopf als Antwort.
„Fühlte mich gut, als ich aufwachte. Habe Poppy gerufen“, krächzte er.
„Himmel, red bloß nicht weiter. Sonst verlierst du das bisschen Stimme, was du noch hast, auch noch.“
„Muss zum Hotel. Gow sagen, dass ich nicht fahren kann.“
Fiona wusste ja, dass Andrew mit David verabredet hatte, ihn, seine Haushälterin Violet und deren Schwester Muriel mit dem Boot über den See zu fahren. Gestern Abend hatte sie Andrews Widerwillen gespürt, als er zugestimmt hatte, aber dennoch war jetzt keine Zufriedenheit zu bemerken, weil er die Tour absagen musste.
„Du wolltest doch eigentlich sowieso nicht mit ihm rausfahren, oder?“
„Will ihn loswerden.“
Sie lachte, und er zog die Brauen noch enger zusammen.
„Warum fährst du dann nicht mit ihm? Du krächzt ihm eine Geschichte vor und knöpfst ihm sein Geld ab. Danach fühlst du dich wahrscheinlich sogar besser.“
„Du hast nicht die Spur von Mitgefühl.“ Das Krächzen wurde immer schneller zu einem Flüstern.
„Andrew …“ Lachend stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. „Das Mitgefühl tropft mir geradezu aus jeder Pore. Aber du bist nicht wirklich krank, weißt du? Du hast nur die Stimme verloren.“ Sie legte den Finger auf seine Lippen. „Schhhh … Sie verschwindet gänzlich, wenn du noch viel mehr sagst.“
Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust, aber er sagte kein Wort.
„Das ist eigentlich ganz lustig“, meinte sie amüsiert. „Du kannst mir nicht widersprechen. Daran könnte ich mich gewöhnen.“ Sie lachte hell auf, als er die Augen zusammenkniff. „Hör zu, ich habe eine Idee. Warum nimmst du mich heute nicht mit? Ich werde David Gow mehr Geschichten erzählen, als er sich anhören kann.“ Auf sein wildes Kopfschütteln ging sie gar nicht ein. „Doch, ernsthaft. Wahrscheinlich werden es nicht die sein, die du ihm erzählt hättest, aber ich erinnere mich an viele deiner Geschichten. Und das, woran ich mich nicht mehr erinnere, erfinde ich einfach hinzu. Darin bin ich schließlich ziemlich gut.“
Wieder schüttelte er den Kopf, und wieder beachtete sie es nicht. „Warum nicht? Hast du etwa Angst, ich könnte ein besserer Geschichtenerzähler sein als du? Oder ist es einfach nur, dass du mich nicht auf einem Boot mit David Gow zusammen haben willst? Weißt du, der Mann hat schon etwas an sich …“
Er antwortete nicht, sondern versuchte sie niederzustarren. Wovon sie sich nicht beeindrucken ließ. „Komm schon, Andrew! Du bist mir ein so guter Freund, und es wird Tage dauern, bevor du deine Stimme wieder normal benutzen kannst. Lass mich das für dich tun. Und danach schicken wir David Gow mit einem Kuss auf die Heimreise.“ Sie lächelte, als seine Augen zu funkeln begannen. „Nicht im wörtlichen Sinne, natürlich.“
Er seufzte. Das wenigstens klang normal. Und schließlich nickte er grimmig.
„Also abgemacht. Treffen wir uns dann an der
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