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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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Osten etwas ändern zu können mit meiner Schreiberei.
    H ILDEBRANDT: Meinst du wirklich, du hättest Berufsverbot bekommen?
    E NSIKAT: Aber ja. Sie suchten ja nur nach Anlässen. Der Sammy hatte übrigens, schien mir, sofort Verständnis für meine Situation. Er sagte nur noch: »Wenn du’s dir anders überlegt hast – du erreichst mich.« Dann gab er mir – zur Aufbewahrung, wie er sagte – ungefähr neunhundert Ostmark. Das war der Teil seines Honorars in Leipzig gewesen, den er nicht hatte ausgeben können.
    H ILDEBRANDT: Sammy war ja überhaupt sehr großzügig, nicht nur dem Ensemble gegenüber. Als der Jürgen Hart von den »Academixern« mal im Westen war, um seine Tantiemen für »Sing, mei Sachse, sing« abzuholen, erzählte er, als wir uns zufällig in einerKneipe trafen, dass Sammy ihm gerade tausend Mark geschenkt habe. Wir fragten den Jürgen, ob er das denn nötig gehabt hätte, wo er doch so viel Tantiemen für sein Liedchen bekommen hatte. Da meinte er ganz trocken: »Man muss die Kapitalisten schädigen, wo man kann.«
    E NSIKAT: Sammy war für ihn Kapitalist?
    H ILDEBRANDT: Offenbar.
    E NSIKAT: Im Osten meinten ja viele damals, im Westen wären alle reich. Du hast mir bei anderer Gelegenheit auch mal so einen Rat gegeben. Nach unserem Gastspiel in München lud uns die Dresdner Bank zu einem Empfang ein. Ich sagte zu dir so halb im Scherz, ob ich mich hier vielleicht von der Bank bestechen lassen sollte. Da sagtest du: »Schädige sie, wo du kannst.«
    H ILDEBRANDT: Das war doch auch richtig, oder? Du hast es aber nicht gemacht.
    E NSIKAT: Weil ich nach der aufregenden Vorstellung nichts essen konnte. So schulde ich der Bank nur ein paar Gläser Wein.
    H ILDEBRANDT: Ach so, du meintest nur Essen und Trinken? Ich dachte, du hast auch an eine größere Geldprämie gedacht.
    E NSIKAT: Wir Ossis bekamen alle einen kleinen Zettel, auf dem stand »Bon für Speis & Trank«.
    H ILDEBRANDT: Ich dachte, sie hätten euch wenigstens einen Tausender in die Serviette gesteckt.
    E NSIKAT: Nee, nee. Da wäre ich auch sehr misstrauisch geworden.
    H ILDEBRANDT: Du hättest das Geld nicht genommen?
    E NSIKAT: Ich hätte zuerst mal wissen wollen, woher es überhaupt kommt und wofür ich’s bekommen habe.
    H ILDEBRANDT: Du bist aber pingelig.
    E NSIKAT: Weiß man denn, welche Leistung dafür von einem erwartet wird? Das hätte ich schon wissen wollen.
    H ILDEBRANDT: Da gebe ich dir recht. Ich wäre auch misstrauisch geworden. Und tausend Mark wären für mich außerdem eine Beleidigung gewesen. Das wäre mir zu wenig.
    E NSIKAT: Da gebe ich dir nun wieder recht. Das hat mich ja immer bei den Stasi-Spitzeln gewundert. Ich dachte, da ginge es um Hunderttausende oder so. Nein, es ging höchstens um einen Trabant, den man vielleicht etwas früher bekam, oder um zwanzig Mark Prämie – in Ost!
    H ILDEBRANDT: Oder um neue Reifen für den Trabant …
    E NSIKAT: Ich habe immer gesagt: »Natürlich bin ich auch käuflich. Nur hat noch keiner den Preis für mich herausgefunden.«
    H ILDEBRANDT: Das vereint uns. Jetzt hält man uns für unbestechlich. Um auf Sammy zurückzukommen – der ist über den Fußball an mich rangekommen. Also nicht ich kam zu ihm, sondern er zu mir. Er war doch Sportreporter und vermutete, ich wäre ein Fan vonihm. War ich aber nicht, im Gegenteil. Mir war er immer viel zu laut. Fußball hab ich gespielt seit ich acht oder neun war. Hätte ich damals gewusst, dass es mal Profifußballer geben würde, ich hätte alles daran gesetzt, einer zu werden. Aber nach dem Krieg und später als Student hatte ich gar keine Zeit für irgendeinen Sport. Ich musste arbeiten, um studieren zu können. Dann aber hab ich in der »Kleinen Freiheit« Karten abgerissen. Eines Abends, nachdem der Saal voll besetzt war und ich gerade die Tür schließen wollte, kam noch einer die Treppe heruntergepoltert und schrie in echtem Berlinisch: »Ey, noch nich’ zumachen. Jetz’ komm ick erst mal!« Die Kassenfrau sagte: »Das ist der Herr Drechsel vom Bayerischen Rundfunk.« – »Was«, sagte ich, »Sie sind dieser Sportreporter, der immer so schreit?« – »Bin ick!«, sagte er und lief an mir vorbei.
    E NSIKAT: Das war eure erste Begegnung?
    H ILDEBRANDT: Ja, aber sie ging weiter. In der Pause stand ich da so rum, und da kam er und fing an, mich auszufragen. Ich sagte, dass ich studiere und dass ich da in einem kleinen Ensemble mitspiele. Da sagte er, das wolle er sich mal ansehen. Und kam dann wirklich und meinte, er

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