Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
sich ja auch kaum was verändert.
E NSIKAT: Bis dann die große Enttäuschung kam.
H ILDEBRANDT: Mit der zu rechnen war. Mit der Treuhand kamen jetzt alle unsere Glücksritter in den dummen Osten …
E NSIKAT: Konstantin Wecker, glaube ich, war es, der ineiner Talkshow gesagt hat: »München ist jetzt ganovenfrei. Die sind alle im Osten.«
H ILDEBRANDT: So ähnlich muss es gewesen sein. Wir machten damals ein Programm unter dem Titel »Feindliche Übernahme«. Denn darum hat es sich ja auch gehandelt – um eine feindliche Übernahme. Und ihr? Was habt ihr im Kabarett dazu gesagt? Warst du da schon bei der »Distel«?
E NSIKAT: Erst kurz. Uns blieb erst mal die Spucke weg. Aber die Menschen für ihre Dummheit zu beschimpfen, das bringt ja auch nichts. Im Kabarett schon gar nicht. Dann kommen sie nämlich nicht wieder. Ein paar Monate zuvor, im November ’89, hatte das DDR-Fernsehen bei mir angeklopft. Kurz nachdem du mich gefragt hattest, ob ich nicht Lust hätte, mit dir zusammen den Silvester-»Scheibenwischer« zu machen. Ich hatte natürlich begeistert zugesagt.
H ILDEBRANDT: Stimmt. Ich erinnere mich noch gut.
E NSIKAT: Aber kurz nachdem ich dir zugesagt hatte, rief ein Ost-Berliner Fernsehredakteur an, mit dem ich früher zu tun hatte. Damals sollte ich einen Fernsehfilm schreiben, eine Scheidungsgeschichte. Ich hatte schon angefangen, da bekam ich einen Vertrag vom DDR-Fernsehen zugeschickt, in dem ausdrücklich stand, ich würde mich verpflichten, eine »heitere« Geschichte zu schreiben. Was das bedeutete, wusste ich: Mit heiter meinten sie harmlos. Ich weigerte mich, den Vertrag zu unterschreiben. Der Redakteurbestand auf dem Wort »heiter«, schließlich kenne man mich doch und ahne, was ich ihnen da unterjubeln würde, wenn sie nicht aufpassten. Ich solle doch mal so schreiben, dass man das bei uns auch senden könne. Ich sagte ihm, er solle sich wieder melden, wenn sich das DDR-Fernsehen geändert habe, ich jedenfalls würde mich nicht ändern, und legte auf. Und dieser Mann rief jetzt wieder an, um mir zu sagen, dass ich natürlich so schreiben dürfe, wie ich wolle – das Fernsehen habe sich schließlich geändert. Ich sollte die erste DDR-Satiresendung zum Jahreswechsel 1989/90 machen.
H ILDEBRANDT: Und da bist du mir entwischt.
E NSIKAT: Du warst nicht begeistert, hast mich aber gehen lassen. Du konntest dir vermutlich in deinem schönen intakten München gar nicht vorstellen, was damals im Osten los war. Es ging alles den Bach hinunter. Wer irgend konnte, machte sich aus dem Staub. Jetzt ging die »Republikflucht« erst so richtig los, genau in dem Moment, wo wir frei waren, um dieses bisher so trostlose Ländchen selbst zu gestalten, endlich selbst über uns zu bestimmen. In dem Moment meinte ich, im Osten gebraucht zu werden wie nie zuvor.
H ILDEBRANDT: Ich verstehe dich, auch wenn’s damals für mich enttäuschend war.
E NSIKAT: Ich habe Silvester 1989/90 den ersten »Scharfen Kanal« im DDR-Fernsehen gemacht. Der lief dann ziemlich erfolgreich alle zwei Monate bis zur Auflösung des Senders 1991. Ich wollte ihn eigentlich in Dresden produzieren mit den Kollegen von der »Herkuleskeule«, aber das ging aus produktionstechnischen Gründen nicht. Wir mussten in Berlin bleiben, und das hieß: mit den Kollegen von der »Distel« arbeiten, die ich Jahre zuvor, nicht ganz friedlich, verlassen hatte. Mit Schaller hatte ich inzwischen in Dresden großen Erfolg mit unseren Kabarettstücken gehabt. Und die »Distel«, das Hauptstadtkabarett, war zeitweise weg vom Fenster. Das war dann aber eine schöne Erfahrung, als ich zu den alten Kollegen zurückkam. Die hatten mir meinen Weggang nicht übelgenommen. Sie sagten nur, dass sie auch gern solche Texte gespielt hätten, wie Schaller und ich sie geschrieben hatten. Aber da war der Direktor davor.
H ILDEBRANDT: Otto Stark hieß er, oder? Der hatte sich ja auch geweigert, 1987 zu unserem Gastspiel nach Leipzig zu kommen.
E NSIKAT: Er hatte, das wurde mir jedenfalls erzählt, seinem ganzen Ensemble untersagt, nach Leipzig zu eurem Gastspiel zu fahren. Ich weiß nicht mehr, wer sich an das Verbot gehalten hat. Auf jeden Fall waren da im Zuschauerraum auch »Distel«-Kollegen, und die waren nicht weniger begeistert als alle anderen. Jedenfalls die Zeit 1989/90, die Zeit des Zusammenbruchs der DDR, das war sicherlich die spannendste Zeit meines Lebens. Es war die Zeit für Satire überhaupt.
H ILDEBRANDT: Findest du? Ich glaube gar nicht, dass
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