Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
der Bühne jagen!
E NSIKAT: Nee, die haben am lautesten gelacht, würde ich sagen.
H ILDEBRANDT: Du sagst es. Die Lacher haben uns fast von der Bühne gefegt. Jede einzelne Pointe haben wir genossen. Der Sketch dauerte eigentlich nur drei Minuten – dort machten wir zehn daraus.
E NSIKAT: Das ist wirklich eine Eigenheit der Ostdeutschen: Die haben gelernt, über sich selber zu lachen. Nicht lange nach dem Mauerfall war Carola Stern bei uns in der Vorstellung. In der Pause kam sie hinter die Bühne und sagte: »Ihr habt aber Glück, dass heute keine Ostdeutschen drinsitzen. Wie ihr über eure Landsleute herzieht!« Und wir: »Wie kommst du darauf, dass da keine Ost-?« – »Na, die lachen ja alle!«
H ILDEBRANDT: Carola Stern hat das missverstanden?
E NSIKAT: Das hat sie. Ich sagte zu ihr: »Die lachen, weil sie wissen, worüber wir reden.« Wir sind ja wirklich hart mit uns ins Gericht gegangen, mit unserer Vergangenheit, und haben nie gesagt: »die«, sondern immer »wir«. Ich weiß noch, Gert Kießling von der »Distel« sollte so einen Angepassten spielen, der in der Partei gewesen war, alles mitgemacht hatte, und der jetzt wieder alles mitmachte. Da sagte er zu mir: »Nee, das kann ich nicht spielen. Das bin ja ich!« Da sagten wir: »Deshalb kannst du den ja spielen. Den nimmt man dir sofort ab.«
H ILDEBRANDT: Ich hab das gesehen und sehr gelacht darüber.
E NSIKAT: Er hat das grandios gespielt. Dieses Über-unsselber-Lachen – das hatten wir in vierzig Jahren DDR gelernt.
H ILDEBRANDT: Durch harte Arbeit an euch selbst.
GUTE ZEITEN, SCHLECHTE ZEITEN
E NSIKAT: Man hört oft, dass schlechte Zeiten gute Zeiten für Satire wären. Findest du das auch?
H ILDEBRANDT: Diese Frage nach guten oder schlechten Zeiten für Satire zu beantworten, habe ich mich immer geweigert. Ich halte das für Unsinn. Kabarett ist zu allen Zeiten nicht nur möglich, sondern auch nötig. Zeiten, die kein Kabarett brauchen, gibt’s doch gar nicht.
E NSIKAT: Stimmt, uns kann’s keiner recht machen, die Linken nicht und die Rechten schon gar nicht. Trotzdem behaupte ich, dass gerade schlechte Zeiten gut sind für Satire. Da warten die Leute geradezu drauf, dass wir …
H ILDEBRANDT: Unsinn. Ich brauch keine schlechten Zeiten, um gutes Kabarett zu machen.
E NSIKAT: Bei dir stimmt das sogar. Aber ich brauch die Wut, ich muss mich aufregen, um so richtig böse zu werden.
H ILDEBRANDT: Die Gelegenheit dazu kriegst du doch alle Tage – egal, wer regiert. Ich kann mich erinnern, dass man uns vorgeworfen hat, wir in der »Lach- und Schießgesellschaft« würden reines SPD-Kabarett machen. Das stimmte insofern, als wir die neue Ostpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr gut fanden und das auch laut gesagt haben. Wir ahnten nämlich damals schon, wohin das führen könnte – zu dem, was wir heute haben, zur Einheit.
E NSIKAT: Wenn es überhaupt einen Weg zur Einheit gab, dann jedenfalls nicht über blinde Konfrontation. Der DDR-Außenminister Otto Winzer hat das damals auch schon erkannt – er nannte diese Ostpolitik »Aggression auf Filzlatschen«.
H ILDEBRANDT: Und dieser Weg begann über die Ostverträge, die Egon Bahr ausgehandelt hat. Ich behaupte, auch wenn er selbst das ablehnt, Egon Bahr ist der Baumeister der Einheit. Nicht Helmut Kohl, der sich dann dafür feiern ließ. Aber insofern stimmt es, dass wir mal SPD-freundliches Kabarett gemacht haben. Das hatte ausschließlich inhaltliche Gründe. Aber als dann der Helmut Schmidt mit seiner Nachrüstung kam, waren wir natürlich, wieder aus inhaltlichen Gründen, auf einer ganz anderen Seite. Damals hab ich mit Werner Schneyder gearbeitet, und wir haben die SPD scharf angegriffen, weil sie den Rüstungswettlauf anheizte. Wir haben uns nicht nur an den handelnden Personen abgearbeitet, sondern an ihrer Politik. Obwohl Schmidt natürlich im Vordergrund unserer Kritik stand.
E NSIKAT: Helmut Schmidt, der heute in allen Medien als der große Weise gefeiert wird.
H ILDEBRANDT: Weil sie alle voneinander abschreiben. Unsere sachliche Kritik an Schmidts Nachrüstungspolitik gefiel ihnen schon damals nicht, weil sie zu langweilig war, zu ernst. Und wir tanzten mit unseren Ansichten aus der Reihe. Wir sollten uns lieber an den komischen Seiten einzelner Politiker abarbeiten. Das fanden und finden fast alle Kritiker immer besonders scharf.
E NSIKAT: Die Frage, was scharf ist im Kabarett und was nicht, ist sowieso müßig. Was vor allem westliche Kritiker bei uns im
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