Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)
DDR-Kabarett scharf fanden, das waren für uns fast immer Uraltwitze, über die die Zuschauer lachten, weil sie sie wiedererkannten. Das war die reine Wiedersehensfreude, nicht mehr. Solche Witzchen haben wir eingestreut, um den Leuten Atempausen zu verschaffen. Wenn wir aber wirklich zur Sache kamen, dass den Zuschauern die Spucke wegblieb, das merkten diese Kritiker gar nicht, oder es war ihnen zu ernsthaft. Das DDR-Publikum erwartete von uns solche Ernsthaftigkeit, weil die Dinge, die wir aussprachen, nirgendwo sonst öffentlich gesagt werden durften.
H ILDEBRANDT: Professionelle Kabarettkritik ist jedenfalls immer noch ein unterentwickeltes Gewerbe.
E NSIKAT: Welcher studierte Theater- oder Literaturwissenschaftler gibt sich schon mit so was ab? Wenn dann doch einer kommt und lässt sich dazu herab, sich eine Vorstellung anzusehen, dann weiß er doch vor allem, dass er selbst das alles viel besser könnte.
H ILDEBRANDT: Da hat irgendjemand mal seine genialen Texte abgelehnt. Mehrmals hat er es an verschiedenen Kabaretts versucht, aber keiner hat ihn gespielt. Und nun bleibt ihm nur noch sein überlegenes Lächeln über das, was so gespielt wird, obwohl es nicht von ihm ist.
E NSIKAT: Solche Leute versuchen uns kaputtzulächeln, und wir fallen drauf rein, indem wir den Quatsch, den sie schreiben, nicht nur lesen, nein, wir ärgern uns auch noch drüber.
H ILDEBRANDT: Aber das geben wir natürlich nicht zu. Noch schlimmer als alle Kritiker der Welt sind allerdings die Fernsehredakteure. Über die kann ich dir ein langes Lied singen.
E NSIKAT: Das kann ich selbst nach meinen verhältnismäßig geringen Erfahrungen mit dem »Westfernsehen« schon mitsingen. Ich dachte, solche angepassten Feiglinge hätten nur in Adlershof herumgesessen. Nein, in Stuttgart zum Beispiel hab ich diesen Typ mit dem Gesicht in der Hose wiedergetroffen. Das war kein schönes Wiedersehen. Ich finde es geradezu beleidigend, dass ich in der Bundesrepublik so vieles von dem wieder erlebe, was mir die DDR so unerträglich gemacht hat, zum Beispiel den vorauseilenden Gehorsam. Diese Redakteure wissen schon im Voraus, was ihren Chefs missfallen könnte. Sie verbieten ja nichts. Sie geben nur zu bedenken. Und wenn dann etwas nicht gesendet wird, haben sie es ja gleich gewusst. Wir hätten ja nur auf sie zu hören brauchen.
H ILDEBRANDT: Im Fernsehen haben sie immer wieder versucht, Einfluss zu nehmen auf das, was wir machten. Bei der ZDF-Sendung »Notizen aus der Provinz« hatten wir jahrelang einen »verantwortlichen Redakteur«. Das ZDF ist zentral gelenkt. Das ist anders als bei der ARD, wo du bei dem einen Sender Sachen machen kannst, die beim andern nie durchkämen.
E NSIKAT: Mal abgesehen davon, dass im DDR-Fernsehen außer der ungewollten Realsatire überhaupt keine Satire stattfand, war es bei uns in den verschiedenen Bezirken so wie bei euch in den verschiedenen Sendern der ARD. In Dresden konnten wir Sachen machen, die anderswo selbstverständlich verboten waren. Was in Cottbus verboten war, konnte in Leipzig zugelassen werden und umgekehrt. Es gab nämlich keine zentrale Zensur, sondern nur eine örtliche, die allerdings immer ängstlich nach der Zentrale schielte aus Angst, etwas zuzulassen, was ganz oben missfallen könnte. Das nahm absurde Züge an. Ein Programm von Schaller und mir ist in Berlin verboten worden und in Dresden mit dem Vaterländischen Verdienstorden ausgezeichnet worden.
H ILDEBRANDT: Der für unsere »Notizen aus der Provinz« verantwortliche ZDF-Redakteur hatte die Aufgabe, über meine Moderationstexte zu wachen, die zwischen den einzelnen Filmbeiträgen liefen. Und wenn da was drin war, was oben missfiel, kriegte er was auf die Mütze. Einmal kam er am Tag der Aufzeichnung,bevor ich mit meiner Moderation anfangen konnte, zu mir und sagte: »Ich habe ausdrückliche Anweisung, dass der Name Kirch in unserem Programm nicht genannt wird.« Ich fragte etwas scheinheilig, was denn den Mann für das ZDF so unangreifbar mache.
E NSIKAT: Ja, was wohl?
H ILDEBRANDT: Ich wusste natürlich, dass dieser Kirch der wichtigste Geschäftspartner des ZDF war, dass Intendant und Programmdirektor – das war Stolte damals – sich nicht trauten, auch nur ein Wort gegen Kirch über den Sender laufen zu lassen. Also rettete ich mich in eine Parabel, in der ich von einer hohen Warte, sozusagen von der Zugspitze aus, die Besitzverhältnisse im Kirchgarten betrachtete. Das musste der Redakteur am nächsten Morgen vorführen und
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