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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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andern aufpasst, braucht man gar keine Stasi mehr.
    H ILDEBRANDT: Gute Idee. Die Nachbarn übernehmen die Rolle der Stasi. Denunziation als Volkssport. Da braucht man wirklich keine Gestapo und keine Stasi.
    E NSIKAT: Dem Gruner übrigens ging es wie allen Westkünstlern zu dieser Zeit. Sie brauchten nur die Bühne zu betreten, um gefeiert zu werden. Er machte nach der Vorstellung aber einen Fehler. Er bot mir an, ab jetzt für seine »Stachelschweine« zu schreiben. Ich bin ein bisschen ausgewichen, hatte ja mit der »Distel« und der Dresdner »Herkuleskeule« genug zu tun. Darauf meinte er etwas zu gönnerhaft: »Mensch, Junge, ick zahl doch richtijet Jeld.« Das war der Punkt, an dem er einfach meinen Stolz verletzte.
    H ILDEBRANDT: Dafür genügte ja schon der erste Satz: Dukannst jetzt auch für die »Stachelschweine« schreiben. Da lag das Westgeld ja schon im Angebot. Du hättest ihn einfach fragen sollen, ob er dich gut genug findet, um jetzt für den Westen schreiben zu dürfen. Dann hätte er selbst gemerkt, was er da gesagt hat.
    E NSIKAT: Das war zu einer Zeit, als man noch nicht wusste, wann wir auch mit Westgeld bezahlt würden. Jedenfalls waren Leute wie Schaller und ich sehr empfindlich, wenn da einer den dicken Westler herauskehrte.
    H ILDEBRANDT: Ja, das war eine ziemlich schmerzhafte Umarmung für euch. Da knackten die Knochen.
    E NSIKAT: Ein paar Monate später hatte sich das ja erledigt. Jetzt war sogar in Dresden die D-Mark ein normales Zahlungsmittel geworden. Aber bis es dazu kam, erschien den Ossis alles, was aus dem Westen kam, einfach wertvoller.
    H ILDEBRANDT: Das hab ich in Greifswald erlebt. Ich stand da mit Renate, und wir haben mit Interesse zugeguckt, wie da von einem Lastwagen Wasser in großen Plastikflaschen verkauft wurde, Westwasser. Und die Greifswalder kauften es begeistert. Irgendwann haben wir dann gefragt, ob sie das Zeug auch trinken würden oder in die Vitrine stellen wollten.
    E NSIKAT: Ich habe mich geschämt für so viel Dummheit. Jede Banane war ein Befreiungsschlag von der Diktatur des Werder-Obstes, jede bunte Plastiktüte kündete vom Sieg westlicher Zivilisation.
    H ILDEBRANDT: Da gab es doch dieses wunderschöne Titelbild der »Titanic«: »Zonen-Gaby im Glück – Meine erste Banane«. Und in der Bananenschale steckte eine Gurke. Aber die Zeit der Bananenwitze war ja dann bald vorbei.
    E NSIKAT: Na ja, die eine oder andere Anspielung darauf, wenn’s um die »dummen Ossis« geht, hört man heute noch. Allerdings ist aus dem Lächeln über uns bei vielen eine ganz und gar humorfreie Abneigung entstanden. Und wenn ich heute nach Dortmund oder in andere Weststädte komme und sehe, wie runtergekommen die inzwischen sind, verstehe ich das sogar. Um aber auf die Wendezeit zurückzukommen, wir in der »Distel« oder die Kollegen von der »Herkuleskeule« hatten damals auch so was wie eine therapeutische Funktion, indem wir immer wieder Witze über unsere gemeinsamen Ossi-Dummheiten machten. Wir als Mitossis durften das. Über sich selber lachen zu können, das hat ja auch etwas Befreiendes.
    H ILDEBRANDT: Ihr durftet euch lustig machen über die Ossis, und uns habt ihr’s krummgenommen, wenn wir nur still vor uns hin gelächelt haben.
    E NSIKAT: Weil wir, wenn wir über die Ossis hergezogen sind, immer auch von uns selbst gesprochen haben. Das wussten die Leute. Andererseits sagten wir natürlich auch, dass es im Westen genauso viele Pappnasen gibt wie bei uns.
    H ILDEBRANDT: Bei uns gab’s und gibt’s viel mehr davon.Wir sind euch schließlich zahlenmäßig weit überlegen.
    E NSIKAT: Unsere Kritik an den Ossis war natürlich viel genauer als das, was uns da aus dem Westen vorgeworfen wurde. Wir sprachen aus eigener Erfahrung, hatten schließlich auch vieles mitgemacht, waren absolut kein Widerstandsnest. Das musste man in der Zeit damals betonen, weil neunzig Prozent der DDR-Bürger plötzlich ihren Widerstand entdeckt hatten. Wir weigerten uns auch nach einiger Zeit, weiter auf Krenz und Konsorten herumzuhacken. Wir nahmen uns vielmehr die vor, die jetzt die Macht ausübten. Manche behaupteten dann, dass uns das einfach nicht zustünde, weil wir vorher die Partei- und Staatsführung der DDR nicht genauso offen kritisiert hätten. Von dem Zehlendorfer CDU-Politiker Lehmann-Brauns bekam ich mehrere Schmähbriefe, in denen er uns mit einer Klage drohte, weil wir uns über unsere inzwischen heiliggesprochenen Bürgerrechtler lustig machten, die in ihrer

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