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Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
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esbesonders gute oder weniger gute Zeiten für Satire gibt. Kabarett ist doch zu allen Zeiten möglich und nötig. Aber 1990 warst du plötzlich im Fernsehen.
    E NSIKAT: Ja, und für die Sendung luden wir uns immer ein anderes Kabarett ein, immer auch einen aus dem Westen, denn ihr solltet doch auch mal ins DDR-Fernsehen dürfen. Du kamst zu der letzten Sendung. Wer aber nicht kam, war der Werner Schneyder. Den hatten wir natürlich auch eingeladen, und er sagte damals: »Macht ihr das mal alleine.«
    H ILDEBRANDT: Warum?
    E NSIKAT: Ich hab das auch erst überhaupt nicht begriffen. Aber später schon. Er fand, dass der Osten sich sowieso schon viel zu früh in alles reinreden ließ.
    H ILDEBRANDT: Da hat er recht gehabt.
    E NSIKAT: Finde ich auch. Er meinte, guckt nicht nach dem Westen, sondern macht was Eigenes. Aber mit der Meinung war er ganz allein.
    H ILDEBRANDT: Hast du eigentlich durch die Wende und die Einheit viele alte Freunde verloren?
    E NSIKAT: Ein paar habe ich verloren, ja. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund: Ich gehörte zu denen, die plötzlich ungeheuer viel zu tun hatten. Ich hatte das Glück, gefragt zu sein. Und es gab Freunde, die hatten nichts mehr, die waren plötzlich arbeitslos. Und die meldeten sich bei mir nicht mehr, weil sie dachten: Der interessiert sich nicht mehr für uns. So sind einige Freundschaften und Bekanntschaften verlorengegangen. Und dann lernte ich in dieser Zeit auch ungeheuer viele neue Freunde kennen.
    H ILDEBRANDT: Und hast bestimmt auch deswegen jetzt ein schlechtes Gewissen. Darin bist du ja gut.
    E NSIKAT: Ja, natürlich.
    H ILDEBRANDT: Weil du das Gefühl hast, deine Freunde ausgetauscht zu haben.
    E NSIKAT: Ja. Das hab ich aber nicht. Mit vielen Freunden von früher hatte ich ja dann doch wieder zu tun. Manchmal merkte man natürlich, dass uns nicht mehr so viel verband. Wir hatten damals etwas gemeinsam erlebt, was mit dem neuen Leben nicht mehr so viel zu tun hatte.
    H ILDEBRANDT: Viele Beziehungen in der DDR waren ja auch Zweckbeziehungen, Beziehungen, die aus einer Notwendigkeit erwuchsen.
    E NSIKAT: Ja, da gab es zum Beispiel die Notwendigkeit, Freunde unter den Handwerkern zu haben. Solche Notwendigkeiten fielen weg, und es stellte sich dann raus, ob es eine Freundschaft war oder nur ein Zweckbündnis. In der DDR gab es eine Art Notgemeinschaft. Man half sich, weil man wusste, dass man den anderen auch mal brauchen könnte.
    H ILDEBRANDT: Du brauchtest einen Klempner als Freund, weil bei dir vielleicht ein Wasserrohr brechen konnte …
    E NSIKAT: Ja. Das Dumme war nur: Das Einzige, was ich bieten konnte, waren Kabarettkarten. Einen Autoschlosser hab ich mit denen zum Beispiel nicht bekommen.
    H ILDEBRANDT: Was sagt denn das über die östliche Gesellschaft?
    E NSIKAT: Die DDR war eine vormoderne Gesellschaft. Man lebte da zum Teil wie in Zeiten, als das Geld noch nicht erfunden war.
    H ILDEBRANDT: Per Austausch von Freundlichkeiten und Material.
    E NSIKAT: Es gab da diesen Satz: »Meine Frau hat Arbeit, den Rest klau ich mir zusammen.« Ein typischer DDR-Spruch. Da geht es um das sogenannte »sozialistische Eigentum«, eine Sache, die gern mal missverstanden wurde. Über unsere Arbeitsproduktivität gab es ja auch all diese Witze. Natürlich wurde auch schlecht gearbeitet. Aber so schlecht wie in den Witzen nicht.
    H ILDEBRANDT: Da gab es den Witz mit den vier Hauptfeinden des Sozialismus … Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Da war was Wahres dran, oder?
    E NSIKAT: Aber ja. Es stimmte, dass man das Recht auf Arbeit hatte, aber nicht immer die Pflicht, an diesem Arbeitsplatz auch zu arbeiten. Man tut nur vielen Unrecht, wenn man das hochrechnet und meint, dass in der DDR generell nicht hart und gut gearbeitet worden wäre, wie das nach der Wende geschah. Ich erinnere mich an einen Buchtitel: »Arbeiten wie bei Honecker, leben wie bei Kohl«. Das war diffamierend.
    H ILDEBRANDT: Ich hatte Verwandte in Fehrbellin, Brandenburg, die hatten da einen Bauernhof. Als sie kollektiviert wurden, geschahen da die idiotischsten Dinge. Aus dem, was sie mir erzählten, machte ich eine Nummer. Nun bekamen wir die Gelegenheit, in der Waldbühne aufzutreten, vor 25 000 Menschen. Von denen kamen die meisten aus dem Osten, denn die Mauer war ja noch nicht gebaut, und sie kamen da für eine Mark rein. Als wir das erfuhren, dachten wir: Um Gottes willen, wenn wir jetzt diese Nummer bringen, in der wir uns über deren Wirtschaften grob lustig machen – die werden uns von

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