Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition)

Titel: Wie haben wir gelacht: Ansichten zweier Clowns (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ensikat , Dieter Hildebrandt
Vom Netzwerk:
das Gefühl, Sie sind ausgestopft.« Da haben sie gelacht. Das war der Industrieclub. Und der Mann, der da imZentrum saß, um ausdrücklich nicht zu lachen, war der Großbankier Hermann Josef Abs. Und der Sammy Drechsel, dieser Hund, hatte uns für viel Geld dahin verkauft. Dem haben wir dann einen Riesenkrach gemacht.
    E NSIKAT: Reines Männerpublikum ist fast immer schwierig.
    H ILDEBRANDT: Das ist dieses Rudelverhalten. Ich hatte mal die Ehre, mit Werner Schneyder im Stadthaus von Amsterdam anlässlich der Erasmus-von-Rotterdam-Preisverleihung auftreten zu dürfen. Und in diesem Saal saß der ganze holländische Hofstaat in den ersten drei Reihen, die Königin Juliane, Beatrix, der Claus von Amsberg. Gräfin Dönhoff war auch da. In den ersten sieben Sätzen steckten mindestens vier sichere Pointen. Keine kam an. Beim siebten Satz endlich ein meckerndes Lachen. Dann noch ein Doppellacher. Und plötzlich lachten alle. Die da als Erste so meckernd gelacht hatte, war die Königin.
    E NSIKAT: Wir hatten in der »Distel« 1991 oder 92 mal eine geschlossene Vorstellung für den Treuhandvorstand. Die Sicherheitsvorkehrungen waren schlimmer, als wenn das SED-Politbüro gekommen wäre. Frau Breuel saß dritte Reihe Mitte. Ruhe. Keine Reaktion nirgends. Plötzlich lacht Frau Breuel laut auf, und der ganze Saal lacht dankbar mit. Es war, als hätte Honecker seinen Genossen vom ZK eins vorgelacht, und das Plenum lachte dankbar mit.
    H ILDEBRANDT: Wie bei unserem Industrieclub. Die Leute sind nicht autark. Auch wieder komisch, oder?
    E NSIKAT: Manchmal ist es aber auch einfach nur komisch. 1993 hatte ich eine meiner ersten Lesungen aus meinem ersten Buch im Westen in Wilhelmshaven. Eine kleine Buchhandlung, aber immerhin überfüllt. Radio Bremen hat aufgezeichnet. Vom Publikum kam nicht die leiseste Reaktion. Nur tiefes Schweigen. Ich war schon ziemlich heiser und fragte zum Schluss nur noch pro forma, ob jemand etwas zu dem Gelesenen sagen wolle. Da meldete sich ein älterer Mann und sagte sehr norddeutsch: »Also das muss ich Ihnen mal sagen. So wie heute hab ich schon seit Jahren nicht mehr gelacht.« Und alle anderen meinten, ihnen sei es ganz genauso gegangen. Danach ging ich mit der Buchhändlerin essen und fragte sie: »Äußert sich bei Ihnen hier oben das Lachen immer so nach innen?« Da sagte sie: »Was wollen Sie denn mehr? Haben Sie die alte Dame in der ersten Reihe nicht bemerkt, die so freundlich geguckt hat?« – »Natürlich habe ich sie bemerkt. Sie ist ja nach zwanzig Minuten freundlich eingeschlafen.« – »Sehen Sie«, sagte die Buchhändlerin, »sonst schläft sie immer schon nach fünf Minuten ein.« Ich vermute, im Norden wird deutlich weniger, zumindest stiller gelacht als im Süden.
    H ILDEBRANDT: Nein, das glaube ich nicht. Das ist ganz verschieden. Das kommt auf die Stimmung an, auf die Atmosphäre. Aber du musst mal in Städte gehen, wodu nur ganz Schwarze, also Reaktionäre, vermutest. Grade da kommen dann die anderen. Beim Fernsehen ist nach meiner Erfahrung jedes Publikum zurückhaltender. Weil sie Angst haben, die Kamera erwischt sie, wenn sie an den falschen Stellen töricht lachen.
    E NSIKAT: Da verkneifen sie es sich lieber ganz.
    H ILDEBRANDT: Um noch mal auf das Leipzig-Gastspiel zurückzukommen. Da gab es manchmal geradezu beklommene Pausen bei Themen, mit denen sie da offensichtlich nichts anfangen konnten. Selbst bei Problemen, die wir längst gemeinsam hatten – Umwelt zum Beispiel. Da hatte ich das Gefühl, die Leute waren nicht informiert. Natürlich wussten sie über ihre Verhältnisse Bescheid. Aber was darüber hinausging, was im Westen längst eine Rolle spielte, davon wussten sie nichts.
    E NSIKAT: Das würde ich bestreiten. Sicher gab es Einzelheiten, von denen man hier nichts wusste. Aber trotzdem behaupte ich, dass wir über die Bundesrepublik viel besser informiert waren als ihr über die DDR. Das war ja auch eine Frage des Interesses. Wer interessiert sich schon für den armen Verwandten? Im Übrigen waren eure Medien im Osten überall präsent. Selbst in Dresden war der Deutschlandfunk zu empfangen. Schon damals, als das noch ein ganz schwarzer Sender war.
    H ILDEBRANDT: Die Schwärze muss sich bei den Dresdnern eingeprägt haben. Was im Übrigen die ganze Typologie des Lachens betrifft, so glaub ich nicht dran.Was den Ost-West-Unterschied angeht, ist das was anderes. Ich hatte und habe Gelegenheit, beides zu vergleichen. Du ja auch.
    E NSIKAT: Da glaube ich nun wieder

Weitere Kostenlose Bücher