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Wie ich Brad Pitt entführte

Wie ich Brad Pitt entführte

Titel: Wie ich Brad Pitt entführte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Grünig
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hing? Die Kollegen von der Bereitschaft würden sich bestimmt wundern, wenn sie nach Mitternacht ohne einen nennenswerten Notfall so einfach wieder aufkreuzte. Sie könnte auch auf den reinen Verdacht hin einmal bei Hagedorns Wohnung vorbeifahren und schauen, ob das Licht brannte. Hm! Das hieße für sie, einmal quer durch Köln zu gondeln, denn das Eigelstein-Viertel lag nicht gerade um die Ecke. War es da nicht wesentlich einfacher, nachzuschauen, ob Max sich ordnungsgemäß in seiner Wohnung befand? Die war nur ein paar Straßen weiter. Falls nicht, konnte sie ja immer noch die beiden anderen Möglichkeiten ausloten. Nicole ließ den Motor an. Und würgte ihn sofort wieder ab. Mist! Was, wenn Max sie bemerkte. Das wäre ja saupeinlich. Aber wie hatten sie auf der Polizeihochschule immer gesagt: Ein gewisses Restrisiko bleibt immer.
    Entschlossen drehte sie den Autoschlüssel im Zündschloss und fuhr rückwärts raus auf die Straße.

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    13.
    Mittwoch, 23.17 Uhr
     
     
     
    S ei du selbst – nur du bist wichtig!« Ich trete einen Schritt zurück und bewundere mein Werk. Silberne Schrift auf fliederfarbenem Post-it. Gelungen! Tief befriedigt blicke ich in die Runde und schaue auf die rund zwanzig anderen Post-its mit Durchhalteparolen wie »Liebe ist der Weg«, »Vertrau dir selbst« und »Du bist nie allein«, die ich mit viel kreativem Gestaltungswillen im Schlafzimmer dekoriert habe. »Positive Reinforcement« nennt man so was auf Seite 102. Es soll dem Rekonvaleszenten helfen, seine innere Energie zu aktivieren und so den Entzug gelassener durchzustehen. Übrigens haben sie in den einschlägigen Boulevardmagazinen der Privatsender noch nichts von Tom erwähnt. Keiner scheint ihn zu vermissen! Dabei schlummert er seelenruhig wie ein Baby inmitten der »Positive Reinforcements«.
    Ich blicke kurz auf meine Uhr. Der Packungsbeilage nach müsste er bis morgen früh um neun durchschlafen. Das ist auch gut so, denn ich brauche auch mal eine Pause. Mit Blick auf Tom kuschle ich mich in meinen dänischen »Egg-Chair«. Ich bin stolz auf mich. Schade, dass ich diesen Moment nicht mit Linda teilen kann. Mein ganzer sorgfältig durchdachter Plan klappt wie am Schnürchen, obwohl ich ja sonst mehr so der spontane Typ bin.
    Dass ich wirklich mal was plane und dann auch noch durchführe, ist ehrlich gesagt eher selten der Fall. Selbst in den Urlaub fahre ich grundsätzlich nur mit Last-Minute-Angeboten, was bei mir weniger mit Geldsparen als mit einer abgrundtiefen Abneigung gegen jegliche Art von »Sich festlegen« zu tun hat. Wenn ich für einen Dienstag einen Tennistermin ausmache, habe ich grundsätzlich von Mittwoch bis Montag größte Lust aufs Tennis spielen, nur ausgerechnet an dem verabredeten Dienstag will ich garantiert nicht.
    So bin ich über die Jahre zu einer recht erfinderischen Spezialistin herangereift, was alternative Wahrheiten betrifft. »Mir ist ein Wildvogel gegen die Balkonscheibe gekracht, bin auf dem Weg zum Tierarzt!« Oder: »Habe den Schläger vorgestern zum Nudeln abgießen benutzt. Jetzt sind die Saiten durchgefault.« Wobei natürlich die erste Ausrede der anderen unbedingt vorzuziehen ist, denn erstens stellt man sich so als Gutmensch dar (»Während du ganz profan Tennis spielen willst, rette ich ein Tierleben!«), und zweitens ist sie aufregender und ausbaufähig (»Morgen geht auch nicht. Der Flattermann muss noch weitere vierundzwanzig Stunden überwacht werden.«). Dass die zweite Ausrede schon eher der Wahrheit entspricht, glaubt mir ja doch keiner!
    Wie bin ich jetzt darauf gekommen? Ach ja, Linda. Auch wenn ich sonst alles mit ihr teilen kann, ist Linda leider noch immer nicht für meine neu gewonnenen Leidenschaften »Südstadt« und »Tom« zu gewinnen. Sie nennt ihn übrigens total despektierlich »Brad Pitt für minderbemittelte Vollpfosten«! Vehement boykottierte sie lange Fernsehabende mit faszinierenden »Südstadt«-Marathons. Selbst wenn ich nur kurz noch eine Folge zu Ende schauen wollte, bevor wir ausgingen, quatschte sie permanent in den tragischsten Momenten dazwischen und unterbrach unsensibel die fesselndsten Dialoge. »Ist doch eh nur ’ne leere Hülle, der man Worte in den Mund legt«, spottete sie herzlos über Tom. »So ein selbstgefälliger Schauspieler, der für einen richtigen Job zu blöd ist.« Sie lachte nur mitleidig, wenn ich ihr versicherte, dass nur jemand, der selbst zu großen Gefühlen fähig wäre, solche Rollen überzeugend spielen

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