Wie ich Brad Pitt entführte
edlen Geruch von Chanel N°5 und teurem Haarspray einsog, gab sie folgenden Satz für die Ewigkeit von sich: »Beim flotten Dreier bist immer du am nächsten Morgen die Schlampe.« Sie blickte mich scharf an. »Vicki, merk dir das!«
Das Ganze war erzieherisch sehr wertvoll, denn der Satz hat sich so sehr in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich bis heute keine Versuche in Richtung »flotten Dreier« unternommen hatte.
Vielleicht habe ich auch einfach nur ein schlechtes Sexkarma. Vielleicht gibt es irgendwo ungeschriebene Sexregeln, nach denen man, wenn das »erste Mal« Mist war, immer und immer nur Mist erlebt? Vielleicht hätte ich besser auf meine »große Liebe« warten sollen, als meine Unschuld – gezielt und generalstabsmäßig geplant – an einen Unwürdigen zu verschleudern? Aber nach meinem Reitlehrerfiasko hatte ich erst mal die Nase voll von Männern, und das nicht nur von Reitlehrern. Erst mit neunzehn, als offiziell letzte Jungfrau meines Freundeskreises – selbst Linda hatte inzwischen einschlägiges Know-how gesammelt –, wusste ich, dass jetzt etwas geschehen musste.
»Etwas« geschah dann in Gestalt von Erwin. Erwin fuhr Ferrari. Außerdem war er ein Geschäftsfreund meines Vaters. Ich erkor ihn zum potenziellen Entjungferer, weil Erwin ein stadtbekannter Playboy mit einer beeindruckenden Liste von Eroberungen war und ich unbedingt jemanden wollte, der sein Handwerk verstand. Auf emotionale Verstrickungen mit der potenziellen Gefahr von lebenslänglichen Gefühlsnarben konnte ich gut verzichten. Erwartungsgemäß brauchte ich Erwin nur den kleinen Finger zu reichen, und schon zappelte er am Haken. So fand ich mich eines Nachmittags in einer Fünfsterne-Suite des »Excelsior-Hotels« wieder. Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob uns der Empfangschef an der Rezeption als harmloses Vater-Tochter-Gespann oder als verruchtes Chef-Sekretärinnen-Verhältnis verbuchte. Aber vielleicht haben sich ja solche Leute das Nachdenken über ihre Gäste und deren sexuellen Absichten längst abgewöhnt.
Genau wie erwartet, war Erwin ein Verführer alter Schule: Gekonnt öffnete er die Champagnerflasche, dämmte das Licht und zog die Vorhänge zu. Ich saß auf dem Bett und harrte der Dinge, die nun kommen würden. Außer einem großen Schluck des besten Single Malts meines Vaters hatte ich diesmal keine weiteren Vorkehrungen getroffen. Ich wollte Erwin die Initiative überlassen. Mit einem wissenden Lächeln schickte er mich ins Bad, um mich »frisch zu machen«. Ich war mir damals wie heute nicht ganz im Klaren, ob das noch eine Dusche beinhaltete oder im klassischen Verführungsklartext nur das Ausziehen meinte. Vorsichtshalber sprang ich noch schnell unter die Dusche, bevor ich splitterfasernackt ins Zimmer trat. Erwin lag schon im Wasserbett, sanft wölbte sich das Laken über seinem leichten Bauchansatz. Schließlich war der gute Mann knapp fünfzig. Wohlwollend und mit dem gleichen Kennerblick, mit dem mein Vater edle Vollblüter auf der Kölner Rennbahn betrachtete, musterte er meinen Körper ausgiebig und schlug einladend die Bettdecke zurück. Er hatte den Akt gut vorbereitet: An strategisch günstiger Stelle waren zwei flauschige Handtücher positioniert. »Wir wollen doch keine Flecken, meine Kleine«, flüsterte er, bevor er sich routiniert auf mich rollte.
Der Rest dieser Nacht soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Nur so viel noch: Ich war mir nicht ganz sicher, wann »es« anfing und wann »er« fertig war, aber die bleibendsten Eindrücke waren seine perfekten postkoitalen Manieren – er fuhr mich im Ferrari nach Hause und schickte am nächsten Tag fünfzig weiße Rosen.
Was ich nicht wissen konnte, war, dass Erwin leider keineswegs der Gentleman ist, der genießt und schweigt: So wurde meinem Vater ein paar Wochen später – ich glaube, er spielte gerade Golf – die frohe Kunde über das Eintreten seiner Tochter in ein sexuell aktives Erwachsenenleben zugetragen. Ja, und man vergaß natürlich auch nicht zu erwähnen, mit wem ich diese ersten Schritte ins große unbekannte Land der Leidenschaft »vollzogen« hatte. Seitdem besuche ich zweimal die Woche Psychosen-Meyer. Mein Familienoberhaupt hatte einen Vaterkomplex diagnostiziert.
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52.
H err Friesen?«
»Ja, Nicole?«
»Wird eigentlich jeder nach dem Jurastudium automatisch auch Anwalt?«
»Warum willst du das denn wissen, mein Kind?«
Normalerweise wäre Nicole völlig ausgeflippt, wenn es
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