Wie ich Brad Pitt entführte
hatte!), erläuterte Tom dagegen, dass sein Manager Zack gerade über die Hauptrolle in einer Charles-Bukowski-Biografie verhandele und dass er jetzt auf gar keinen Fall aus meiner Wohnung verschwinden könne. Unter diesen Umständen behalte ich den Kuss des Kommissars wohl besser für mich. Ich glaube nicht, dass die zwei momentan damit umgehen könnten. Ich bin mir dabei keinesfalls sicher, dass ich tatsächlich mit dem Kommissar ausgehen will, aber verbieten lassen kann ich es mir auf keinen Fall.
»Natürlich kann ich die Klappe halten. Mensch, ich bin doch kein Kind mehr«, versuche ich zu beschwichtigen.
Linda zieht kritisch eine Augenbraue hoch. »Vom Alter her hast du recht, aber deine emotionale Reife lässt doch wirklich manchmal sehr zu wünschen übrig.«
Tom rauft sich die Haare. »Der will dir doch garantiert ’ne Falle stellen«, argumentiert er. »Wenn ich der wär, würde ich’s doch genauso machen. Einfach bis zum Umfallen abfüllen und dann ausquetschen wie ’ne Zitrone.«
Ich tippe mir an die Stirn. »Du hast offenbar zu viele schlechte Spionagefilme geguckt. Die deutsche Polizei würde doch nie im Leben jemand abfüllen.«
Aber Linda haut in die gleiche Kerbe. »Vicki, überleg doch mal … warum will der denn ausgerechnet mit dir weggehen?«
»Was weiß ich«, sage ich verlegen. »Vielleicht gefalle ich ihm?«
Tom atmet übertrieben laut ein und verdreht die Augen. »Na, klar. Der ist geradezu in wilder Liebe zu dir entbrannt, meine Süße«, mault er, »du bist ja echt von vorvorgestern. Auf welchem Stern lebst du eigentlich? Schau dich doch mal hier um!« Er beschreibt einen Halbkreis mit seiner Hand in Richtung meiner Wohnzimmereinrichtung. »Du bist ’ne echt gute Partie. So ein richtiges Millionärstöchterchen. Und der? Mann, das ist ein schlecht bezahlter B-u-l-l-e. Hör mal, Kleines, wohin will der dich denn einladen? Zu McDonald’s? Oder zahlst du?«
Tom hält kurz inne in seinem gehässigen Monolog und lässt sich aufs Sofa plumpsen. »Vicki-Maus, manchmal muss man den Tatsachen eben voll in die hässliche Fresse schauen: Der Typ ist entweder hinter deiner Kohle her oder scharf darauf, dich in den Knast zu bringen.« Er breitet die Hände aus. »Da kannste dir aussuchen, was dir besser gefällt, oder einfach morgen Abend hier bleiben!«
Ungläubig drehe ich mich zu Linda um. »Und du?«, sage ich betont lässig. »Denkst du etwa das Gleiche?«
Linda schaut mich mitfühlend an. »Ich hätte es natürlich etwas anders formuliert, aber grundsätzlich … ja. Ich bin der gleichen Meinung.«
Ich denke kurz nach. Kommissar hin oder her. War es klug, mit ihm auszugehen? Der Kuss hatte mich irgendwie berührt, aber …
»Und was, wenn er mich nun wirklich einfach mag?«, flüstere ich mit bedrückter Stimme. »Bin ich denn so unattraktiv, dass euch das noch nicht mal in den Sinn kommt?«
Bis zum Abendessen herrscht betretenes Schweigen. Tom liegt bäuchlings auf meinem Bett und liest den »Kölner Stadtanzeiger«, den Linda heute früh mitgebracht hatte. Linda kocht aufwendig in der Küche. Und ich stehe im Badezimmer vor dem Spiegel und schaue mich so lange an, bis mein Gesicht in seine Einzelteile zerfällt: blaue, unsicher dreinblickende Augen, erbeerblonde glatte Haare, eine leicht nach oben gebogene Stupsnase mit Sommersprossen und ein relativ großer Mund. Natürlich hatten sowohl Linda als auch Tom mir versichert, dass das alles nichts mit mir und meinem »blendenden« Aussehen zu tun hatte. Aber als aktuelle Kriminelle und potenzielle Alleinerbin müsste ich bei der Partnerwahl einfach mehr aufpassen als Lieschen Müller von der Straße. Und ich würde da einfach nicht zu einem Polizeibeamten passen. So als ob man zu einem ganzen Berufsstand passen oder nicht passen konnte – wie in eine Jeans. Ich blicke so intensiv in den Spiegel, als könnte er mir die Zukunft prophezeien. So wie im Märchen à la »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer wird die Glücklichste im ganzen Land?«
Auf einmal bekommt mein Spiegel listige kleine Augen und einen berechnend-kalten Mund, als er antwortet:
»Prinzessin Vicki, es sei mir ein Vergnügen,
Sie nach Kräften zu belügen.
Aber Ihr Liebesleben bleibt ein Trauerspiel,
wollen Sie das Glück auch noch so viel.
Denn trotz all des Zasters hier,
wartet auf Sie kein Kavalier.
Drum seid auf einiges gefasst,
auf jede noch so große Last.
Denn auch im Knast mit Geld versauern
könnte schon mal länger dauern.«
Ich mach die
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