Wie ich mir das Glück vorstelle
beinah beide Ställe ab. Die anderen Kinder rennen immer durch die verkohlte Stelle und wirbeln den Staub auf und lachen. Aber zum Glück kommt vorher noch die Schwester und alle müssen Wasser aus dem Brunnen holen, in dem der dicke Dim liegt. Sogar ich hole Wasser, weil ich ja gar nicht will, dass die Tiere anfangen zu brennen.
Bei Bubka stecke ich ein paar Streichhölzer ein. Der dicke Dim ist da schon tot, aber ich bin mir sicher, dass der auch unbedingt ein Feuer mit mir machen will. Also gehe ich zu den Ställen und mache einen Kreis mit den Steinen, die dort rumliegen. In die Mitte lege ich ein paar Äste von dem Baum, an den der Schäferhund gekettet ist. Ich zünde ein Streichholz nach dem anderen an und werfe die alle in die Mitte. Das funktioniert überhaupt nicht. Aber dann knackt es auf einmal sehr laut und einer von den Ästen brennt. Als plötzlich alles brennt. Es ist gar nicht das Feuer, das mich verrät. Ich schreie auch nicht, obwohl das Feuer jetzt schon sehr hoch ist und mir die Schultern noch heißer macht. Die Tiere schreien so laut. Ich schaffe es nicht, dass die still sind. Ich wünsche mir, dass der dicke Dim da ist und mir hilft und dass der nicht in den Brunnen springt. Dort gehen wir dann ja aber alle hin und ziehen einen Eimer Wasser nach dem anderen raus und schütten das auf das Feuer. Wir schaffen es, dass es aufhört zu brennen. Ein Stall brennt uns ab, zum Glück ist es nicht der neue Stall. Die Tiere sterben auch alle nicht. Nur ein paar Hühner. Die sind aber von allein ins Feuer geflattert. Die Tiere müssen jetzt alle zusammen in dem neuen Stall leben. Vielleicht freundet sich eine von den Ziegen jetzt mit der Kuh an, die immer so allein ist. Oder mit dem Huhn, das am Hals keine Federn mehr hat, weil die anderen Hühner es dort picken.
In einem von unseren Haufen finde ich eine kleine Kiste für Zigarren, in der keine Zigarren mehr drin sind. Die Kiste hat einen goldenen Knopf und damit kann ich die zudrücken und wieder aufmachen. Ich nehme die Kiste mit und gehe wieder in unsere Bude. Der einbeinige Dschib schläft noch immer und er macht komische Geräusche. Ich lege alle meine Sachen in die Kiste. Das versteinerte Stück Holz. Das Foto. Den Zauberwürfel. Ich ratsche ein paar Mal dran rum. Ich komme der Lösung einfach nicht näher. Das Heft und den Bleistift lege ich auch in die Kiste. Ich drücke sie zu. Ich lege die Kiste auf meinen Schlafplatz und schmeiße den Pullover drüber, den ich wie ein Kopfkissen benutze. Ich frage mich, ob der einbeinige Dschib ein paar Sachen hat, von denen ich noch nichts weiß. Ich finde sie nicht.
Der einbeinige Dschib sagt: Gib mir eine Zigarette, ich will eine Zigarette rauchen.
Ich gehe zum Küchenschrank und hole die Plastiktüte raus, in der ich die Zigarettenstummel aus der Kaschemme sammle. Ich suche auch einen für mich raus. Ich zünde beide mit meinem Zippo an und stecke den längeren Stummel dem einbeinigen Dschib zwischen die Lippen. Er liegt da und raucht. Ich setze mich auf die Pappe und gucke ihm zu. Wir rauchen. Die Zigarette von dem einbeinigen Dschib brennt bis zum Filter runter und irgendwann zischt es laut, weil die Glut an der Lippe von dem einbeinigen Dschib klebt.
Ich sage: Stirbst du?
Der einbeinige Dschib sagt: Noch antworte ich.
Ich krieche in meine Ecke und lege mich mit dem Kopf auf den Pullover und die Kiste. Ich ruhe mich aus.
Stunden später liegt der einbeinige Dschib noch immer da und schnauft und röchelt. Das Atmen hört sich bei ihm an wie der Motor von der Fräsmaschine aus dem Dorf der Glücklichen. Draußen ist es schon wieder dunkel. Oben in den Bergen beim Jesuskreuz blitzt es. Bestimmt kommt das Gewitter bald runter in die Stadt.
Die Wolken schieben sich vor den Mond. Ich kann nicht viel sehen. Inzwischen kenne ich die Wege blind. Ich gehe an den Friedhöfen vorbei bis zum Fluss und gehe am Ufer entlang bis weit hinter Brücke zwei. Es regnet. Da sitzt ein Mann auf dem Boden.
Ich frage ihn: Wissen Sie, wo die Alte ist?
Er antwortet nicht.
Ich sage: Ich suche eine Alte. Wo finde ich sie?
Der Mann guckt einfach nur geradeaus. Ich gehe weiter. Keiner ist unterwegs. Der Regen knallt jetzt richtig runter vom Himmel und das Gewitter ist fast über mir. Ich gehe bis zum Zoo. Die Alte ist hier nirgends. Ich gehe durch das Loch im Zaun. Ich gehe zu den Robben. Unser Mädchen sitzt noch immer am Felsen. Ich mache ihr die Haare aus dem Gesicht. Ein Blitz schlägt ein. Das ist so hell, dass ich
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