Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
soll mein Reisebegleiter werden und mich beschützen:
Oh Gott, du hast deinen Diener Abraham aus der Stadt Ur der Chaldäer herausgeführt; du hast ihn auf allen seinen Pilgerwegen beschützt, du warst der Führer des hebräischen Volkes durch die Wüste; wir bitten dich, du mögest uns, deine Diener, die aus Liebe zu Dir nach Santiago de Compostela pilgern, beschützen.
Sei uns Begleiter auf dem Wege, Führer in den Scheidewegen, Kraft in der Müdigkeit, Schutz in den Gefahren, Herberge auf dem Wege, Schatten in der Hitze, Licht in der Finsternis, Trost in der Mutlosigkeit und Stärke in unseren Vorsätzen, damit wir unter Deiner Führung gesund und wohlbehalten zum Endziel des Weges gelangen und bereichert mit Gnaden und Tugenden glücklich in unsere Heimat zurückkehren mit andauernder Freude. Durch Christus unseren Herrn. Amen.
Apostel Jakobus, bitte für uns. Heilige Maria, bitte für uns.
Ich hab danach ziemlich beseelt auf dem Hof der Herberge gesessen und den Tag an mir vorüberziehen lassen. Ein deutsches Paar bot mir Rotwein aus Irache aus ihrer Wasserflasche an; schade dass ich ablehnen musste, weil ich doch keinen Alkohol vertrage. Es wurde ein nettes Gespräch — nachdem ich meine Reserviertheit überwunden hatte. Renata und Peter erzählten, dass sie ihren zehnten Hochzeitstag zum Anlass genommen haben, nach Santiago zu gehen, um bei dieser engen Form des Aufeinanderangewiesenseins ihre Beziehung zu festigen und sich noch besser kennen zu lernen.
Klingt das nicht traumhaft? Ich hab den beiden gesagt, wie mutig ich sie finde. Natürlich ist das hier ganz und gar mein Weg, doch eigentlich würde ich mir wünschen so etwas mit Max auch machen zu können. — Also, vielleicht eher — dazu fähig zu sein!
Bocadillos
Los Arcos — Viana > 19 km
Nein, ich hatte keine Angst mehr, ob ich überhaupt wandern kann, und fürchtete mich auch nicht mehr vor Fremden. Seit mein Schnupfen vorbei war, war ich keine Caminoanfängerin mehr. Mein Körper hatte sich an das neue Leben gewöhnt, ich fühlte mich souverän und am richtigen Platz.
Heute scheint die Sonne sogar schon morgens, ich bin vergnügt und fühle mich richtig wohl. Schade, dass Maja schlecht gelaunt aufgestanden ist, ihre Mütze nicht findet und vor Ärger schimpfend ihren Rucksack auf den Weg schmeißt. Ich bleibe ruhig, schaue es mir einfach nur an, freu mich über die herrliche Umgebung, den guten Weg und die frische Luft, und dann trotten wir sieben Kilometer nebeneinander her, immer parallel zur Straße — und schweigen. Eigentlich müssten wir uns aus dem Weg gehen, und als ich einmal vorauslaufe und Maja eine Unterführung nicht findet, weil ich den Reiseführer in der Tasche habe, wird die Stimmung zwischen uns das erste Mal gereizt, und ich stell mir vor, wie es wäre allein zu wandern...
Doch Torres del Río rettet den Tag. Nicht sein wunderschöner Anblick auf einem Hügel, auf dem die alten, eng zusammenstehenden Häuser eine erdbraune Dachlandschaft bilden, die nur der Turm der berühmten Iglesia de San Sepulcro überragt. Und auch nicht dieses Kleinod von Totenkirchlein selbst, achteckig wie Eunate, mit einem zierlichen, ebenfalls achteckigen Turm mittendrauf; innen, unter der prachtvollen osmanischen Kuppel leer bis auf ein Kruzifix aus dem 13. Jahrhundert. Nur heller Sandstein und schmale Bogenfenster, dazwischen zarte Dreiviertelsäulen und umlaufende Gesimse unter einem achtzackigen Stern, den die Rippen der Kuppel durch Überschneidung bilden. Herrlich! Ich bin der alten Frau dankbar, die Postkarten verkauft und schüchtern auf einen handgeschriebenen Zettel zeigt, der Touristen um einen Euro für den Besuch bittet; sie gehört zu denen, die dieses architektonische Juwel bewahren.
Rettung bringt — ganz profan — unser zweites Frühstück. Räucherkerzenduft und klassische Musik aus einer geöffneten Tür haben uns in eine kurios ausgestattete Kellerbar gelockt, die sich als ein Museum für Ritterorden und Heilige entpuppt. Schaukästen und Wände sind übersät mit Exponaten, und natürlich kann man Vielerlei kaufen, aber wir wollen nur Café trinken und etwas essen. Und hier entdecken wir Bocadillos — für uns fängt die Bocadillozeit an. Von jetzt an wird unser zweites Frühstück aus einem halben Weißbrot ohne Butter mit Käse oder Tomaten oder Chorizo-Wurst oder Tortilla oder Zwiebeln oder Schinken oder einer Mischung aus diesen oder anderen Zutaten bestehen.
Wir essen, bis nichts mehr reinpasst und fühlen uns
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