Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam

Titel: Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: HanneLore Hallek
Vom Netzwerk:
über Maja. In mir grummelt es und mein Genick schmerzt — mal wieder. So wünsch ich mir diesen Morgen eigentlich nicht. Außerdem bin ich sauer auf meinen Mann. Der hat am Telefon ganz anders reagiert, als ich es mir gewünscht habe, und mich damit enttäuscht.
    Ich finde die beiden doof und würde es ihnen jetzt gern sagen. Aber ich erzähle Maja nur von meinem Telefonat und meinen Vorstellungen, und dass die nicht erfüllt wurden, und überhaupt — „... keiner versteht mich“. Und meine Begleiterin hört mir geduldig und liebevoll zu, sagt dies und das, und langsam begreife ich, dass mein Problem bei mir liegt. In meinem ,ich will’.
    Also schlucke ich meinen Ärger runter und weiß, dass ich in der nächsten Zeit über eine Menge nachzudenken habe.
    Mein Groll verfliegt beim Gehen, im nächsten Dorf blühen Rosenstöcke an den Häusern, niedliche kleine Katzen schnurren um unsere Beine und auf der anderen Talseite liegt schon Kloster Irache. Jahrhundertelang war darin eine Herberge für Wallfahrer, seine berühmten Bodegas gibt es noch immer. Nun werde ich sehen, ob hier wirklich der Weinbrunnen existiert, von dem alle Reiseführer berichten. Tatsächlich, an der Wand der Weinkellerei hängt ein Edelstahlbrunnen mit zwei Hähnen zur kostenlosen Selbstbedienung mit kühlem Wasser oder frischem Rotwein — oder beidem! Nobel.
    Maja nimmt einen kräftigen Vormittagsschluck, ich fliehe vor dem Alkoholgeruch zum Kloster. Meinen Rucksack kann ich beim Pförtner abladen und durch den stillen Kreuzgang in die riesige romanische Benediktinerkirche gehen. Ganz schlicht ist sie, mit einer großen Jakobusstatue neben dem Altar. Ein freundlicher, bärtiger Mann in einem muschelbesetzten Umhang, der sich auf seinen langen Wanderstab stützt. „Hola, Santiago, deinetwegen lauf ich hier durch Spanien!“ Er verzieht keine Miene. „Meinetwegen? Deinetwegen. Das wirst Du noch verstehen!“ Der Lärm eines Presslufthammers auf einer Baustelle im hinteren Teil der Kirche unterbricht unsere Zwiesprache. Heiter verlasse ich unseren Heiligen, treffe meine ein wenig beschwipste Maja und wandere mit ihr weiter. Durch ein Touristenzentrum in einen stillen, duftenden Kiefernwald und zwischen Feldern ins nächste Dorf hinauf.
    Es regnet nicht mehr und wir beschließen mittagzuessen. Unter den Blicken einiger Bauarbeiter, die eines der uralten Häuser renovieren, lassen wir uns unter Bäumen nieder, futtern wie gewohnt trocken Brot und Käse, sehen einem Bauern beim Bohnenpflücken zu und hoffen, dass die dicke Wolke, die uns ständig begleitet, bitte endlich woandershin zieht.

    „Weißt Du, dass wir gleich beim Maurenbrunnen sind?“ Ja, ich weiß es und auch, dass wir bald danach unsere Wasserflaschen füllen müssen, um 13 Kilometer unbewohntes Land zu überleben. 14 oder 27 Kilometer stehen heute zur Wahl, nichts dazwischen, und weil wir uns für die ganze Strecke entschieden haben, dürfen wir auch nicht zu lange sitzen bleiben, sondern müssen los. Durch das Dorf auf eine Straße — und dann werden wir unsicher. „Sind wir hier richtig?“ Die Pfeile zeigen auf einen Pfad, der durch einen verwahrlosten Bauernhof führt. „Wir können doch nicht...“, doch wir müssen; zwischen Hühnern und Ziegen und Hundegebell hindurch auf die andere Talseite und in die Weinfelder, an deren Rand ein schmaler, von violetten Krokussen bewachsener Weg der Camino ist.
    Die Landschaft ist grandios. Dörfer und Kirchen liegen wie hingetupft an den Hängen des breiten, grünen Tals, das sich bis zum Horizont ausweitet. Über uns thront die Burgruine von Monjardín, Weinstöcke bedecken die Hügelketten. Und dazwischen steht der Maurenbrunnen wie ein kleines Haus aus Sandstein; doch eigentlich nur ein tiefgezogenes Satteldach über einer breiten, steilen Treppe, die zu einem Wasserbecken unter der Erde führt. Zwei gotische Spitzbögen formen den Eingang in den kühlen Raum. Maja steigt zum Wasser hinunter, um sich die Füße zu baden, aber ich habe Angst. Die Treppe ist sehr steil und das Wasser sicher kalt, und wenn ich da nun hinein falle oder meine Schuhe... Aber auch ich schaffe es hinunter, kühle mir die Beine, habe wieder eine Angst überwunden.
    Villamayor de Monjardín ist ein entzückendes uraltes Weindorf mit mondänen Weingütern, und der letzte Ort vor der wasserlosen Strecke. Wir füllen unsere Flaschen und finden den richtigen Pfad durch Weingärten direkt in eine Einöde aus fahlen, abgeernteten Getreidefeldern. Fröhlich

Weitere Kostenlose Bücher