Wie ich nach Santiago de Compostela ging und ganz woanders ankam
zu plaudern, er ist so wohltuend sanft. Als wir uns verabschieden und ich aufschaue sehe ich — Nicole und Fred, das französische Ehepaar aus León. Verrückt, wieso kommen die später als ich?
Nirgendwo auf der Welt kann es diese besondere Wiedersehensfreude geben, wie hier in Santiago. Aufleuchtende Gesichter, aus denen augenblicklich die Erschöpfung weicht, strahlende Augen und lachende Münder. Kein Wunder, dass die Stadt so sympathisch ist! Wir freuen uns unbändig uns zu treffen und verabreden uns zum Abendessen bei ,Manolo’, dem Pilgertreff.
Aber jetzt auf zum Schuhekaufen, jetzt ist die einzige Gelegenheit. Morgen möchte ich mit dem Bus nach Finisterre fahren, eine Nacht dort bleiben und am Donnerstag nach Bilbao, zum Guggenheim-Museum. Das wird meine Belohnung, mein Geschenk an mich, die Erfüllung eines jahrelangen Traumes, und von dort werde ich nach Hause fliegen.
Am Vormittag hatte ich nette Schuhgeschäfte gesehen, doch jetzt finde ich sie nicht wieder, irre durch die vielen engen, krummen Gassen in diesem Winkel der Altstadt, durch ein verwirrendes Gemisch aus Konditoreien, Strumpfläden, Bodegas und Boutiquen. So schmal sind diese autofreien Straßen, dass die hohen Häuser kaum Licht nach unten in das Gewirr der Menschen lassen. Wo waren denn nur diese Läden? Die Gasse öffnet sich auf einen Platz, hier war ich doch schon mal? Ah, dort sind die Telefone, und von rechts kommt der Jakobsweg und führt zur Kathedrale. Ich stehe und versuche, mich zu orientieren, und schaue um mich und sehe — Eric. Unvermittelt taucht er im Strom der Einkäufer auf, verschwitzt, zerzaust, den Rucksack auf dem Rücken und seinen Wanderstock in der Hand. Bleibt stehen und lässt seinen Blick über die Menschen wandern.
Ich bin erstarrt. Oh nein, nicht schon wieder! Aber da hat er mich entdeckt, grinst, kommt zu mir und umarmt mich wie selbstverständlich. „Ah, da bist du ja. Ich wusste, dass du die Erste sein wirst, die mir in Santiago über den Weg läuft.“ Und ich stottere verdattert, „hab gedacht Du bist in Finisterre oder längst ganz woanders“, weiß nicht, ob ich mich über den netten Menschen freuen oder vor der nervigen Person flüchten soll, doch ich ahne, dass sich jetzt zeigen wird, ob ich dazugelernt habe. „Ich hab gestern in Arzúa deine E-Mail bekommen und bin heut 40 Kilometer gegangen. Wenn du so was tust, kann ich es auch. Aber jetzt möchte ich mein Credencial holen, und dann lass uns irgendwo etwas trinken.“ Schlecht, dass ich Antialkoholikerin bin, jetzt könnte ich einen Schnaps gebrauchen. Oder zwei. Denn er geht in den nächsten Blumenladen und kommt mit einer langstieligen Rose heraus: „Für meine Lehrerin.“
Ich begleite ihn, doch meine Befangenheit weicht nur langsam. Und als uns Janet begegnet, mich zur Seite nimmt und fragt: „Wer ist denn dieser schöne Junge? Vergiss nicht, dass du zu Hause einen Ehemann hast!“, kann ich sie beruhigen. Ich kenne diesen Herren gut genug, um das nicht vergessen zu wollen.
Da kommt Eric schon mit seiner Urkunde, ebenso stolz wie ich gestern und hört mit Begeisterung, dass ich mit Fred und Nicole essen gehen werde. „Grandios, da will ich mit, aber zuerst brauch ich eine Unterkunft. Ist bei dir noch Platz?“ Noch mal das Gleiche? Zwei Stockwerke Distanz zwischen uns werden genügen, und während er duscht, denke ich nach.
Ist es klug, mich mit ihm abzugeben? Haben wir uns nicht schon in León die Laune verdorben? Wir sind uns so ähnlich, dass wir uns auf die Nerven gehen, und ich will mir meine außergewöhnliche Zeit hier nicht trüben. Jedoch, wenn ich gut auf mich achte und mich gehörig abgrenze, müsste es klappen. Ich probiere es einfach. Immerhin können wir auch fröhlich miteinander sein und haben uns viel zu sagen. Okay, auf ins neue Abenteuer.
Nicole und Fred treffen wir schon auf der Straße. Wie schön, wieder zusammen zu sein, wie schön, dass wir den Weg gegangen und angekommen sind. Wir vier sind richtig happy und knüpfen bruchlos da an, wo wir in León aufgehört haben. Nur etwas ist anders: Fred traut sich, sein Englisch auszukramen, wir können uns ohne Umweg über Eric verständigen. Es wird ein wunderbarer Abend. Essen und Wein bei ,Manolo‘ sind köstlich, die drei stoßen mit allen Rotweinsorten an, und wie vor zwei Wochen drehen sich unsere Gespräche um Bewusstheit und die Wege zum inneren Wachstum; unser Hochgefühl bleibt, wir sind unbeschwert, fröhlich, leicht. Frolian und seine Freunde am
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