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Wie im goldenen Kaefig

Wie im goldenen Kaefig

Titel: Wie im goldenen Kaefig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Brooks
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monogame Verpflichtung und absolute gegenseitige Ehrlichkeit.”
    „Für mich hört sich das sehr unpersönlich an”, sagte Marianne leise.
    “Das war es auch.” Er nickte nachdenklich. “Ich wollte es so. Weißt du, das Einzige, was ich aus meiner Kindheit mitgebracht hatte, war Unabhängigkeit. In den ersten fünf Jahren, nachdem meine Mutter mich in Pflege gegeben hatte, besuchte sie mich ab und zu. Während dieser Zeit lehnte sie es ab, mich zur Adoption freizugeben. Sie führte ein in jeder Hinsicht wildes Leben, und ich war, glaube ich, eine Art Rettungsanker für sie. Dann lernte sie einen reichen Mann kennen, dem nichts daran lag, das Kind eines anderen im Hintergrund zu wissen. Nachdem er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, sah ich sie nie wieder. Sie hat mich dann zur Adoption freigegeben, aber ich war ein sehr verstörter kleiner Junge, ein schwieriges Kind. Ich …“ Er verstummte und musste sich dann zwingen weiterzusprechen. “Ich habe meine Mutter sehr vermisst.”
    Marianne empfand tiefes Mitleid mit ihm, war jedoch klug genug, es nicht zu zeigen. Abgesehen von den wesentlichen Tatsachen hatte Zeke ihr bisher nie etwas aus seinem Leben erzählt. Wenn sie angefangen hatte, von Kindheitserlebnissen zu sprechen, hatte er sie regelmäßig zurückgewiesen oder unverzüglich das Thema gewechselt.
    “Wie alt warst du, als der erste Versuch, dich adoptieren zu lassen, fehlschlug?” fragte sie leise.
    “Etwas über sechs Jahre.”
    Er sprach kalt, ganz ohne Gefühl, aber nun wusste sie, dass das nichts zu bedeuten hatte. Irgendwo in seinem Inneren lebte immer noch der kleine, verletzte Junge, und es war dumm von ihr gewesen, das nicht zu erkennen.
    Wenn sie älter und erfahrener gewesen wäre, als sie sich kennen lernten, hätte sie ihn vielleicht zum Sprechen gebracht. Dann hätten all die alten Verletzungen ans Licht geholt und geheilt werden können. Aber sie hatte das nicht verstanden, und er hatte kein Wort gesagt.
    “Das muss sehr schwer für dich gewesen sein”, sagte sie ruhig.
    “Für meine Adoptiveltern war es auch nicht gerade leicht”, sagte er bitter. “Sie hatten sich einen niedlichen kleinen Jungen mit schwarzen Locken und ernstem Gesicht ausgesucht - das stammt nicht von mir, sie haben mich so beschrieben -, der dann ihr geordnetes Leben auf den Kopf stellte und praktisch ihr Haus ruinierte. Wir haben alle Fehler gemacht. Ich habe damals auf meine Art um Hilfe gerufen … “
    Typisch, dass er nicht einmal an dieser Stelle das Wort Liebe benutzt, dachte Marianne.
    “… und sie haben ganz falsch reagiert.”
    Er warf ihr einen forschenden Blick zu, ehe er fortfuhr: “Es war nicht ihre Schuld. Sie waren nette, ordentliche Leute, die nicht merkten, was ihnen geschah. Ein braves kleines Mädchen wäre eine bessere Wahl gewesen als der kleine Junge, der vor unterdrückter Wut die ganze Welt hätte zerstören mögen.”
    “Und was geschah beim zweiten Versuch?”
    “Das war ein Jahr später. Nach der gescheiterten Adoption kam ich in eine andere Pflegefamilie, zu Marlene und Jim. Dort habe ich die glücklichste Zeit meines Lebens verbracht. Es waren gute Menschen mit einem Herz für Kinder.
    Sie hatten selbst zwei Jungen mit Lernstörungen und nahmen außerdem noch zwei Pflegekinder auf, denen sie die gleiche Aufmerksamkeit und Zeit widmeten wie ihren eigenen Kindern. Jedenfalls wurde ich dort weggeholt und zu fremden Menschen gebracht, die ich nur auf kleinen Teepartys besucht hatte.
    Dann bin ich ausgerastet.”
    Marianne nickte. Das konnte sie sich lebhaft vorstellen. Warum nur hatte keiner der Verantwortlichen gemerkt, was vorging, und angemessen eingegriffen?
    “Ich glaubte damals, wenn ich mich bockig genug verhielt, würden sie mich zurück zu Marlene und Jim schicken, aber natürlich kam es ganz anders. Ich landete im Kinderheim. Eine der Betreuerinnen erklärte mir, Marlene und Jim hätten inzwischen ein anderes Kind aufgenommen und keinen Platz für mich.
    Sie hat es bestimmt nicht böse gemeint, aber damals ist etwas in mir zerbrochen.” Zeke sprach ausdruckslos, seine Züge waren hart. “Nenn es, wie du willst, die Fähigkeit, offen auf andere zuzugehen, einfach normal zu sein. Ich weiß es nicht. Aber von da an brauchte ich niemanden mehr. Keiner konnte mir mehr etwas sagen, und ich lernte alle Schliche und Tricks, um mich irgendwie durchzuschlagen. Einzig die Tatsache, dass mir die Schule dann Spaß machte und ich besser war als alle anderen, hat mich davor

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