Wie im goldenen Kaefig
Nachtschlaf zu bringen, und das ließ sie hoffen-Vielleicht hatte ihm sein nächtlicher Spaziergang aber auch nur bestätigt, dass sie nicht zueinander passten und sich besser trennen sollten? Alles, was er gesagt hatte, deutete darauf hin - ganz im Gegensatz zu seinem Verhalten. Und sie war ihm, kaum dass er sie das erste Mal berührt hatte, gleich wieder um den Hals gefallen.
Vor der Haustür trat sie direkt in knöcheltiefen Schneematsch, und das einzige Paar Schuhe, das sie aus dem Apartment mitgenommen hatte, war im Nu durchnässt. Wie gut, dass der Supermarkt so nah war. Es sah ganz danach aus, als würde sie in der Mittagspause nicht nur Zeke treffen, sondern auch noch ein Paar Stiefel besorgen müssen. Oder sie würde Mrs. Polinski fragen, ob sie zwischendurch kurz einige Einkäufe erledigen dürfe. Schließlich wollte sie sich Zeke als selbstständige Frau präsentieren, die ihr Schicksal in die Hand nehmen konnte, und nicht als arme, hilfsbedürftige Studentin.
Nach der Mittagspause besaß Marianne einen neuen Wintermantel und ein Paar Stiefel, hatte dafür jedoch ihr Konto plündern müssen. Aber das war ihr jetzt egal. Ihr Leben lag in Trümmern, ihr Mann wollte eine Trennung - dass sie selbst den Ball ins Rollen gebracht hatte, übersah sie geflissentlich -, und sie hatte die große Dummheit begangen, morgens mit Zeke zu schlafen. Das alles hinderte sie jedoch nicht daran, sich für ihre Verabredung zum Lunch schick und teuer anzuziehen. Auch wenn sie ging und ihre Ehe und alle damit verbundenen Hoffnungen für die Zukunft begraben musste, würde sie stolz erhobenen Hauptes aus Zekes Leben schreiten. Trauern konnte sie später.
In dieser kampfbereiten Stimmung verließ sie um Punkt eins den Laden.
“Marianne?” rief Zeke ihr durch das offene Fenster der weißen Limousine zu.
Sie hob die Hand in dem neuen beigefarbenen Lederhandschuh, der perfekt auf die Stiefel und den schokoladenbraunen Mantel abgestimmt war, und winkte Zeke zu. Dann ging sie vorsichtig zum Auto. Es hatte zwar aufgehört zu schneien, war aber spiegelglatt.
“Hallo, Zeke”, begrüßte sie ihn kühl.
Er kam um den Wagen herum und hielt ihr die Tür auf. Offenbar war er zu Hause gewesen, denn er trug einen anderen Mantel als am Morgen und darunter einen Designeranzug. So sah er nach dem aus, was er war: ein intelligenter und attraktiver Mann mit Macht und Geld. Kurz, ein ganz anderer Mensch als der durchgefrorene, gequälte Mann, der morgens an ihrer Tür geklingelt hatte. Und wer war Zeke Buchanan nun wirklich?
Sie beobachtete ihn, als er vorsichtig auf dem glatten Pflaster um den Wagen herum zurück zur Fahrertür ging. An diesem Tag hatte sie bereits zwei Facetten seiner komplexen Persönlichkeit zu Gesicht bekommen: zum einen den zerrissenen, schüchternen Mann, der nicht in Worte fassen konnte, was er fühlte, zum anderen den selbstsicheren, fantasievollen Liebhaber. Jetzt präsentierte er sich von einer dritten Seite, nämlich der, die er der Welt im Allgemeinen zeigte.
Marianne interessierte vor allem die erste, denn sie hatte sie neu an ihm entdeckt. Und sie wusste, wenn es für sie beide eine gemeinsame Zukunft geben sollte, musste sie diesen verschüchterten Zeke Buchanan wieder sehen. Er war so deprimiert und müde gewesen, dass er seine Maske hatte fallen lassen. Sie wollte dafür sorgen, dass es wieder geschah.
Aber das würde sie nicht erreichen, wenn sie sich schick anzog und die Rolle der selbstbewussten Frau von Welt spielte, so, wie sie sich auf diese Verabredung eingestellt hatte. Nein, dafür musste sie sie selbst sein. Egal, was es sie kostete. Zeke hatte sich schließlich in ein ganz normales Mädchen vom Lande verliebt, das ein Designerlabel nicht vom anderen unterscheiden konnte.
Eine lebhafte, junge Frau, die sagte, was sie dachte. Schockiert erkannte Marianne im Rückblick auf ihre Ehe, wie sehr sie versucht hatte, mit Liliane und Zekes anderen Freunden zu konkurrieren und sich ihnen anzupassen.
Im Kern war sie doch dieselbe Marianne wie früher, auch wenn sie in den vergangenen zwei Jahren Erfahrungen gesammelt hatte und reifer geworden war. Zeke hatte ihr an diesem Morgen gezeigt, wie verletzt er war. Sie musste ihn dazu bewegen, sich ihr zu öffnen.
Das hieß nicht, dass sie ihre Zukunftspläne aufgeben wollte.
Zeke besaß eine so starke Persönlichkeit, dass sie zum Ausgleich eigene Interessen und einen Beruf brauchte. Das konnte ihrer Ehe nur zugute kommen.
Womit sie davon ausging, dass es
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