Wie immer Chefsache
die noch fehlenden Artikel gemacht hatte. Würde Peter die Fotostory über den Wurf junger Möpse, die sich nach ihrer Vermittlung in ganz Deutschland verteilt hatten und über deren Lebenswege er berichten wollte, noch hinkriegen, oder müssten sie den redaktionellen Teil im letzten Moment umändern? Und warum rief die Frau der Hundefriseur-Innung nicht endlich zurück? Der telefonierte er schon seit Tagen hinterher.
Mattes wankte müde in die Küche und drückte zwei Kopfschmerztabletten aus der fast schon leeren Packung. Danach saß er mit einem extra starken Kaffee am Tisch und versuchte den Artikel, an dem er bis spät abends geschrieben hatte, konzentriert durchzulesen, aber es fiel ihm schwer, den Sinn der einzelnen Sätze zu erfassen. Ungeduldig raffte er schließlich alles zusammen und machte sich fertig, um zu duschen, dann mit Mina eine Runde an die frische Luft zu gehen und anschließend ins Büro zu fahren. Ein halber Tag Pause würde ihm gut tun, aber wenn er jetzt nachließe, hätte er danach noch mehr Stress, um die verlorene Zeit aufzuholen.
Kaum war er im Park, sprach ihn eine Frau an, die eine mittelgroße Promenadenmischung an der Leine führte.
»Herr Reuter, darf ich Sie mal kurz was fragen?«
»Nee, bitte nicht heute, lieber morgen«, brummelte er und versuchte weiterzugehen.
Sie blieb neben ihm und versicherte: »Geht ganz schnell.«
»Lassen Sie es einfach!«, bat Mattes gereizt und ging etwas schneller. Ihm war übel. Auch das noch. Er hörte, wie sie begann: »Ist aber wichtig. Sie kennen doch den Herrn, der hier immer mit seinem Rottweiler läuft?«
»Nein!« Er wollte niemanden mehr kennen, sie sollte einfach ruhig sein und ihn nicht vollquatschen.
»Wenn der Rottweiler meine Minou sieht, dann …«
Mattes blieb stehen und sah sie an: »Mir ist es scheißegal, was passiert, wenn der Ihre Minou sieht! Ich will hier einfach nur mit meinem Hund laufen und verdammt nochmal meine Ruhe haben!«
Sie sperrte erschrocken den Mund auf, während er den Weg weiterstampfte. Hinter sich hörte er sie verärgert rufen: »Wie sind Sie denn drauf? Aber im Fernsehen immer nett tun!«
Ich bin nett, dachte er sauer. Ich bin total nett, aber nicht, wenn mir der Schädel platzt. Als er von rechts die Dame mit den beiden Pudeln kommen sah, die ihn gerne ausführlich über die Abenteuer ihrer »frechen Pudelchen« informierte, drehte er auf der Stelle um, pfiff nach Mina und ging zurück. Die Dame mit Minou guckte ihn bitterböse an, als er an ihr vorbeimarschierte, sagte aber keinen Ton.
Warum musste er bei jedem Schritt blöd von der Seite angequatscht werden? Er schrieb nur für ein Hundemagazin. Er war nicht der weltweit zuständige Mann für alle Probleme, die die Leute mit ihren Hunden hatten.
»Herr Reuter?«, sprach ihn erneut eine Frau mit freundlicher Stimme an.
»Nein!!«, brüllte er unbeherrscht. »Ich bin privat hier, und ich will mich nicht unterhalten! Mir ist egal, ob Ihr Hund zehn Meter tief tauchen kann oder die Oma gefressen hat.«
Die Frau guckte ihn erschrocken an. »Ist was passiert?«, fragte sie vorsichtig.
Seine Wut verflog, und er ließ kraftlos die Arme hängen. »Entschuldigung«, sagte er. »Mir geht es heute nicht so gut. Sprechen Sie mich gerne in einigen Tagen nochmal an, dann habe ich Zeit.«
Sie lächelte ihm aufmunternd zu: »Gute Besserung!«
»Danke.«
Langsam ging er weiter. Was war mit ihm los? Bisher hatte er selbst an nervigen Fragestellern noch Gefallen gefunden und sich über manch unfreiwillige Komik gefreut. Er liebte doch den Kontakt mit anderen Menschen und fand spannend, was es an Beziehungsgeflechten zwischen Hunden und ihren Haltern gab. Aber heute war ihm einfach alles zu viel. Es wurde Zeit, dass er in die Redaktion kam und die Arbeit erledigte. Wenn die Abgabe vorbei war, würde er entspannen können und am besten mal drei Tage mit Mina wegfahren. Vielleicht konnte Alex mitfahren? Den hatte er schon viel zu lange nicht mehr gesehen, und es würde ihnen beiden gut tun.
Auf seinem Schreibtisch fand er eine Notiz von Frau Althoff, dass die Dame der Hundefriseur-Innung ihre Zusage, über die Ergebnisse der letzten bundesweiten Konferenz zu berichten, zurückgezogen hatte. Damit war der Artikel geplatzt. Vielleicht konnten Ausschnitte davon später als Grundlage für einen anderen Artikel verwendet werden, aber für diesmal gab er nicht mehr genug her.
Er rief Nadine an: »Die Friseurfrau ist raus, wir brauchen ein komplett neues Thema für
Weitere Kostenlose Bücher