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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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schlug die Autotür zu und fuhr los. Armer Robin. Mattes notierte im Kopf: Ball für Robin kaufen und möglichst bald mit ihm zur Entschädigung ins Kino gehen.
    Um kurz vor neun stand Mattes vor der Redaktionstür. Wieder blickte er schaudernd auf die Fensterbilder, aber jetzt war ihm klar, dass die nicht von Frau Althoff fabriziert wurden. Das passte nicht. Die legte in ihrer freien Zeit Patiencen auf einem intarsienverzierten Louis-Quinze-Tisch oder polierte ihre Sammlung goldrandbesetzter Teegedecke aus dem 19. Jahrhundert. Irgendjemand anderes musste die knallbunten Plastikbilder gemacht haben. Vielleicht war das hier Aufgabe des Chefredakteurs? Zeigte sich jetzt sein bitterer Sarkasmus oder war das nur ein lahmer Witz? Mattes entschied, dass es selbst für einen lahmen Witz zu wenig war, und klingelte. Wieso musste er als Chefredakteur an seinem ersten Arbeitstag eigentlich klingeln? Da konnte er wohl erwarten, mit etwas mehr Enthusiasmus empfangen zu werden. Die Angestellten rechts und links aufgereiht, ein netter Begrüßungssatz und Blumen. Ein roter Teppich wäre wohl etwas zu viel gewesen, aber – warum eigentlich nicht? Er guckte auf die Uhr und klingelte noch mal. Genau neun Uhr und vor ihm lag eine menschenleere, verschlossene Redaktion. Was sollte das jetzt? Hatte er gestern irgendwas unterschrieben und damit die Verantwortung für alle Außenstände auf sich genommen? Das wäre ja was. Die komplette Belegschaft geflohen und er saß mit dem Schuldenberg da. Als verantwortlicher Chefredakteur. Was sollte er jetzt machen? Zur Polizei gehen und erzählen, er habe ungelesen einen Vertrag unterschrieben, weil er dachte, es sei ein Gag von ›Verstehen Sie Spaß?‹. Von dem Lachanfall würden sich die diensthabenden Beamten vermutlich tagelang nicht erholen. »Vor neun Uhr ist hier niemand«, sagte die Stimme von Frau Althoff neben ihm, und ihr Hund schoss auf seine Hosenbeine zu und kläffte spitz. Sie sprach lauter, um durch das Gebell zu dringen. »Sie bekommen gleich von mir einen Generalschlüssel, dann können Sie auch früher im Büro sein und schon arbeiten, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Nee, nee«, sagte Mattes schnell, denn vor neun im Büro sein wollte er auf keinen Fall. »Aber den Schlüssel, doch, ja …«, fügte er hinzu und sah wieder einmal überrumpelt und wenig intelligent aus. Super Einstieg, dachte er, verärgert über sich selbst. Wenn ich mich wie ein dämlicher Praktikant benehme, werde ich auch so behandelt. Wenn nur dieser blöde Köter mal ruhig wäre. Frau Althoff öffnete, brachte ihren Hund in ihr Büro und schloss die Türe hinter ihm, was ihn zwar mit dem Gebell nicht aufhören ließ, aber eine wohltuende Dämpfung des Geräuschpegels bewirkte. Sie bemerkte Mattes genervten Blick und sagte in einem Tonfall, der nicht mal den Gedanken an Widerspruch auslöste: »Mucki gehört zur Redaktion.«
    »Welches Ressort?«, fragte Mattes in einem erneuten Versuch witzig zu sein, den Frau Althoff jedoch einfach überhörte. Vielleicht hatte sie auch keinen Humor. Hatte Frau Mahlzahn etwa je gelacht?
    Sie öffnete eine Bürotür, die gleich neben ihrem Zimmer lag, und wies hinein: »Das ist Ihr Büro.«
    Beim Eintreten sah Mattes aus dem Augenwinkel das Namensschild, das neben der Tür hing.
    Bernhard Schäfer, Chefredakteur.
    Er schien wirklich sehr kurzfristig ausgeschieden zu sein, denn das Büro sah immer noch benutzt aus. Papiere auf dem Schreibtisch, eine leere Kaffeetasse mit eingetrockneten Rändern auf dem Fensterbrett und an einem Haken hinter der Tür hing eine leichte Jacke.
    »Seit wann ist Herr Schäfer weg?«, fragte Mattes.
    Der kurze Blick von Frau Althoff kam ihm für einen Moment erschrocken vor. Doch sie klang ganz ruhig, als sie zurückfragte: »Sie kennen ihn?«
    »Nein, ich kann lesen, und an der Tür hängt ein Namensschild.«
    Sie nahm in Ruhe die benutzte Kaffeetasse vom Fensterbrett und erklärte vage: »Er musste vor einigen Tagen ausscheiden. Es kam ganz plötzlich. Private Gründe.«
    Irgendetwas kam ihm komisch vor. Hatte sie nicht gestern etwas von gesundheitlichen Gründen gesagt? Oder meinte sie die, wenn sie von privaten Gründen sprach? Eine schwere Krankheit war auf jeden Fall etwas Privates. Sein Blick fiel auf den Chefsessel aus dunklem Leder. Sein Chefsessel. Und es war genauso einer, wie ihn auch Frau Althoff in ihrem Büro hatte. Zum ersten Mal überkam ihn das prickelnde Gefühl, hier irgendwann nicht nur der Chefredakteur, sondern auch der

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