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Wie immer Chefsache

Wie immer Chefsache

Titel: Wie immer Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Ruetter
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brachten. Wo waren die anderen Mitarbeiter? Irgendwo mussten die sich ja aufhalten. Er könnte als erste offizielle Amtshandlung alle ihm unterstellten Mitarbeiter begrüßen und sich ihnen als der neue Chefredakteur vorstellen. Das wäre nicht nur für ihn, sondern auch für sie interessant. Durch die Gänge liefen bestimmt schon die ersten Gerüchte im Flüsterton, so wie er das selber aus der Redaktion von ›Der rote Teppich‹ kannte, wo sich die Gerüchte allerdings mehrheitlich um die internen Beziehungen und Trennungen drehten, die schneller und oft dramatischer verliefen als bei den drittklassigen Stars und in den Königshäusern. Er wandte sich an Frau Althoff. »Ich würde gerne die weiteren Mitarbeiter kennenlernen.«
    Sie blickte auf die Uhr: »Frau Berger und Herr Plattler haben um 9.30 Uhr einen Außentermin und werden gegen Mittag in der Redaktion sein.«
    »Kein Thema. Dann gehen wir zuerst zu den anderen.«
    Mattes blickte auf, weil Frau Althoff stumm blieb und Tina schon wieder unterdrückt kicherte. Er wurde ungeduldig.
    »Was ist? Haben die alle heute Vormittag einen Außentermin oder treten die generell erst gegen Mittag an?«
    Es schien eine schluderige Arbeitsmoral zu herrschen. Jeder kam, wie er wollte, und vermutlich saß keiner auch nur die Hälfte der Zeit an der Arbeit, für die er bezahlt wurde. Dass die Althoff das auch noch unterstützte! Mattes erkannte mit Verwunderung, wie schnell er den Chefgedanken mit jeder Körperfaser übernommen hatte. Seit wann achtete er auf Arbeitszeiten und legte Wert darauf, wie lange jemand am Schreibtisch saß? Hatte er nicht immer »Am Ende zählt die Qualität, nicht wie lange man dafür gebraucht hat« gesagt? Oder: »Das Genie braucht nur ein Fünftel der Zeit. Und die kann es im Straßencafé verbringen.« Erstaunlich, wie sich seine Grundeinstellung plötzlich geändert hatte. Aber jetzt war er ja auch verantwortlich. Es war Chefsache, und er hatte den gesamten Mitarbeiterstab zu lenken.
    Frau Althoff sagte: »In der Redaktion arbeiten Frau Berger, Herr Plattler, Tina und ich. Und Sie.«
    Wortlos starrte Mattes sie an. Es haute ihn um. Das war viel schlimmer, als er es erwartet hatte. Das war tiefste Magazinprovinz. Vier Leute? Und eine blöde Praktikantin? Da gab es bei jedem Werbeblättchen mehr Fachpersonal. Ungläubig fragte er: »Ihr schmeißt das Ding mit vier Leuten? Wie soll das denn gehen?«
    Frau Althoff schickte Tina in die Küche: »Mach Herrn Reuter einen Kaffee fertig! Sie mögen doch Kaffee?«, erkundigte sie sich. Er nickte wortlos.
    Der Kaffee schmeckte furchtbar. Entweder hatte Tina nicht kapiert, wie man mit der Maschine Kaffee kochte, oder der Apparat war defekt. Eine seiner ersten Taten würde die Anschaffung einer neuen Kaffeemaschine sein, bei der selbst Tina nichts falsch machen konnte. Falls er bleiben würde. Frau Althoff legte eine schmale Mappe auf den Tisch.
    »Ich gebe Ihnen einen Überblick über die Situation und die Mitarbeiter«, erklärte sie. »Wir sind ein Wochenmagazin, Auflagenhöhe 5 000, und wir arbeiten weitgehend selbständig. Für den Verlag, der seinen Hauptsitz in Hamburg hat, sind wir ein Produkt, um das er sich keine Sorgen machen muss, weil es von alleine läuft. Das heißt, solange wir schwarze Zahlen schreiben und unsere Werbekunden behalten, können wir jede Woche das neue Magazin in Druck geben, ohne dass wir dem Verlag einzelne Schritte erklären müssen.«
    Mattes blickte sie an: »Das heißt im Klartext, dass der Verlag die Existenz dieses Magazins nicht mehr auf dem Schirm hat, und dass alles läuft, solange Sie eine Nullnummer ohne Verluste machen.«
    Frau Althoff räusperte sich, ehe sie antwortete.
    »So würde ich das nicht formulieren, Herr Reuter. Aber ja, so kann man es sehen. Wir existieren, solange es konstante Werte bei den Einnahmen und den Ausgaben gibt.«
    »Aber jetzt wollen Sie mich als Chefredakteur haben, um frischen Wind in das Magazin zu bringen?«
    Unerwartet scharf antwortete Frau Althoff: »Hier will niemand frischen Wind. Wenn Sie glauben, Sie müssten sich hier selbst verwirklichen, sind Sie am falschen Platz. Sie sind Chefredakteur und nicht dazu da, das Konzept zu ändern.«
    Ihr Blick war so vernichtend, als hätte sie gerade ein unmoralisches Angebot von ihm bekommen, was Mattes völlig fernlag, ihn aber trotzdem in Verlegenheit brachte. Was war hier nur los? Irgendetwas stimmte nicht. Seit wann durfte ein Chefredakteur keine neuen Konzepte entwickeln?
    »Das sind

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