Wie immer Chefsache
zwischendurch mit Mina eine Runde nach draußen zu gehen. Als ein Bote kam und ihm ein kleines Päckchen vorbeibrachte, schnitt er behutsam das Klebeband auf und holte eine der neuen Visitenkarten heraus. ›Mattes Reuter, Chefredakteur, doggies live‹. Er lehnte sich in seinem dunklen Chefsessel zurück, hielt die kleine Karte vor sich hin, las sie immer wieder durch und lächelte. Hier stand es schwarz auf weiß, er war Chefredakteur. Es war zwar ein bisschen albern, dass er von einer kleinen Visitenkarte so gerührt wurde, zumal er sie ja selber in Auftrag gegeben hatte, aber es ließ sich nicht leugnen.
»Eine kleine Karte für die Menschheit, ein großer Augenblick für mich«, flüsterte er und steckte sie sorgfältig in seine Brieftasche.
›doggies live‹ musste einfach ein Erfolg werden. Er hatte keine Ahnung, was er machen sollte, wenn das Projekt scheitern würde. Es war nicht tröstlich, dass er sich die Gedanken um seine berufliche Zukunft erst nach Absitzen einer vermutlich langen Haftstrafe machen müsste.
48 völlig neu zu konzipierende Magazinseiten verlangten extrem viel Vorarbeit, und Mattes, der auf keinen Fall ein übliches Heft, sondern wenn, dann eine aufsehenerregende Neuheit auf den Markt bringen wollte und sich andernfalls beim Rundgang im Gefängnishof sah, hängte sich voll rein. Es waren nur noch gute zwei Wochen Zeit bis zum Druckbeginn, und da musste jeder maximalen Einsatz zeigen. Als wie an fast jedem Nachmittag gegen 17 Uhr die Tür von Peter Plattlers Büro zugedrückt wurde und Mattes ihn mit klimpernden Autoschlüsseln den Flur entlanggehen hörte, sprang er auf.
»Was ist los?«, hielt er ihn auf. »Ein Außentermin?«
Peter guckte ihn verwundert an: »Nee, Feierabend.«
Gerade heute? Er war viel zu spät gekommen und wollte jetzt schon wieder gehen?
Mattes reagierte sauer: »Ich hab nichts davon gehört, dass du jetzt eine Beamten-Halbtagsstelle hast.«
»17 Uhr ist Schluss!«, brummte Peter und ging weiter.
»Bisher war das vielleicht so, aber das kannst du vergessen! Wir haben noch unglaublich viel zu tun, bis das Magazin steht, da kann sich keiner auf einen 17-Uhr-Feierabend berufen!«, erklärte Mattes verärgert.
Peter drehte sich um: »Mir ist egal, ob ich für ›Hasso und Fina‹ arbeite oder für ›doggies live‹. Ich verbringe meine Zeit hier bis 17 Uhr und dann gehe ich nach Hause. Fang nicht damit an, dass wir ab jetzt länger arbeiten sollen! Ich hab auch noch andere Sachen, die mir wichtig sind. Wenn ein Magazin mit 48 Seiten nicht zu schaffen ist, machen wir eben eins mit 24.«
Nadine und Frau Althoff unterbrachen ihr Gespräch an der Kaffeemaschine und hörten zu.
Mattes lehnte sich genervt an die Wand und strich sich die Haare aus der Stirn. Dann erklärte er nachdrücklich: »Hört mal, wir haben ein riesengroßes Projekt vor uns, und wenn wir das nicht in drei Wochen am Start haben, können wir die Redaktionsräume auch gleich in die Luft sprengen. Dann seid ihr nämlich alle unwiderruflich draußen, und ich werde froh sein, wenn ich eine Stunde am Tag im Hof im Kreis laufen darf. Wenn’s nicht anders geht, werden wir ab jetzt Tag und Nacht durcharbeiten.«
Er sah sie flehend an: »Es geht nur um die nächsten drei Wochen. Wenn das Ding einmal läuft, haben wir alle Freiheiten. Aber jetzt kommt es auf jeden an, keiner darf sich rausnehmen, sonst bekommen wir es nicht gebacken.«
In Frau Althoffs Büro regte sich Mucki lautstark über den Lärm im Flur auf. Peter Plattler stöhnte genervt und steckte mit grimmiger Miene den Autoschlüssel in seine Hosentasche.
»O. k.«, knurrte er, »aber unter einer Bedingung.«
»Die wäre?«
»Der Kläffer bleibt zu Hause!«
»Abgelehnt«, sagte Frau Althoff und sah ihn herausfordernd an.
Nadine mischte sich ein: »Komm schon, Peter! Nur drei Wochen.«
Peter starrte sie sauer an und knurrte dann extrem schlecht gelaunt: »Drei Wochen und keinen Tag länger!«
Unter den Blicken der Kollegen drehte er sich um, ging zu seinem Büro und knallte die Tür zu.
Puh! Ein hart erkämpfter Sieg, dachte Mattes und lächelte die beiden anderen erschöpft an. Vermutlich trauten sich Nadine und Frau Althoff jetzt nicht mehr nach Hause, ehe er das Signal dazu gab. Egal. Heute würden sie alle bis spät in den Abend arbeiten. Zum Erholen gab es ab morgen das Wochenende, aber auch da sollte er in Anbetracht der noch ausstehenden Arbeiten einige Aufgaben verteilen. Was spräche dagegen, dass Peter weitere Fotos
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