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Wie Inseln im Strom

Wie Inseln im Strom

Titel: Wie Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O`Brien
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Malcolm Morgan heiratete. Der war ihr vermutlich recht, dachte Adam mit einem Anflug von Verbitterung. Malcolm war genau ihr Typ gewesen – kalt, beherrscht, selbstgefällig und tyrannisch. Und natürlich reich.
    “Adam! Hören Sie mit der Tagträumerei auf und leihen Sie mir Ihren starken Arm zum Anlehnen.”
    Ruckartig kehrte Adam aus der Vergangenheit zurück. Tilly Barnhardt stand neben ihm, und er sah mit einem Blick, wie blass sie unter der weißen Perücke war. Ihr Blick war verschwommen. Er wusste, was los war – sie hatte einen Insulinschock. Die Unterzuckerung musste dringend ausgeglichen werden.
    Er hielt ihr den Arm hin. Sie packte ihn mit beiden Händen. Ihre Finger waren schwach und zitterten. “Bringen Sie mich doch bitte zum Haus, ja? Ich muss mich setzen.”
    “Sie brauchen etwas Süßes. Saft vielleicht oder …”
    “Lacy hat bestimmt welchen da.”
    “Sicher? Wenn Sie den weiten Weg machen und kein Saft …”
    “Lacy hat immer Saft für mich dabei”, unterbrach die alte Lady ihn. “Sie kümmert sich seit zehn Jahren um mich, Adam, während Sie sich in der weiten Welt umgesehen haben. Also seien Sie still und tun Sie, was ich sage.”
    Gehorsam führte Adam Tilly nach oben und stellte dabei fest, dass sie weitaus zerbrechlicher war, als er sie in Erinnerung hatte. Lacy kam ihnen entgegengeeilt, einen Pappbecher in der Hand. Ihre Miene war gefasst wie immer, und ihr Blick verriet nichts von der Besorgnis, die er empfand.
    “Hier”, sagte sie sanft und reichte Tilly den Becher. “Komm schon, trink das.”
    Mit fast kindlichem Vertrauen nahm Tilly einen großen Schluck von dem Orangensaft. Lacy nahm ihren anderen Arm. “Komm, Tilly, gehen wir in den Schatten”, schlug sie vor.
    Zehn Minuten später saß Tilly in einem Sessel. Ihr Blutzuckerspiegel hatte sich normalisiert, und mit der gesunden Gesichtsfarbe war auch ihre gewohnte Art zurückgekehrt. Mit lauter Stimme verkündete sie unentwegt, dass alles in Ordnung war und sie weiter den Holzzaun am Pfad zum Leuchtturm streichen wollte.
    “Sie brauchen mich”, beharrte sie. “Dieser Trottel von Silas Jared hat das Kommando übernommen und macht alles falsch. Ich habe ihm gesagt, wie man richtig streicht, aber er hat nicht auf mich gehört.”
    Silas Jared … Lacys silberhaariger Nachbar. Der mit dem Gewehr. Und dem Messer. Adam musste doch lächeln.
    Lacy schien es jedoch gar nicht lustig zu finden. “Dein Blutzucker ist in den Keller gesaust, weil du nichts gegessen hast.”
    Tilly funkelte sie an, aber sie hielt dem strengen Blick stand. Selbst an diesem heißen anstrengenden Tag sah Lacy frisch, elegant, kühl und makellos aus. Nichts an ihr erinnerte an den klitschnassen Teenager mit Sonnenbrand, sandigem Haar und schamroten Wangen, den Adam vor zehn Jahren zum Wagen getragen hatte.
    “Stimmt doch, Tilly, oder?” Lacy tippte mit der Fußspitze auf den Boden. “Du hast vergessen zu frühstücken.”
    “Lacy”, mischte Adam sich ein, denn Tilly tat ihm leid. “Ist es denn wirklich wichtig, wie es dazu gekommen ist?”
    Lacy sah ihn nicht einmal an. “Ja, das ist es. Und Tilly weiß das genau. Wenn sie normal isst und so etwas trotzdem passiert, könnte es bedeuten, dass ihre Insulindosis zu hoch ist. Hast du das Frühstück ausgelassen, Tilly?”
    Tilly starrte Lacy an, aber zu Adams Erstaunen war sie es, die schließlich nachgab. “Kann schon sein”, gestand sie kleinlaut. “Wenn du es sagst. Ich erinnere mich nicht.”
    Lacy seufzte und wirkte plötzlich äußerst angespannt.
    “Du bleibst hier sitzen, Tilly”, befahl sie leise. “Ich hole dir etwas zu essen. Adam, es ist alles in Ordnung. Du brauchst nicht zu bleiben. Jennifer wartet sicher schon auf dich.”
    Und dann war sie fort. Mit einer Mischung aus Verärgerung und Enttäuschung sah er ihr nach. Warum? Sie hatte die kritische Situation gemeistert. Mehr hatte er von ihr nicht erwartet. Oder doch? Hatte er etwa gehofft, dass sie vor Sorge um ihre Freundin in Tränen ausbrach?
    Er drehte sich zu Tilly um. “Sie hat sich sehr verändert.”
    Die Falten an Tillys Stirn vertieften sich. “Natürlich. Sie ist erwachsen.”
    “Erwachsen?” Er schüttelte den Kopf. “Nein. Sie ist kalt. Kalt und hart wie Stein.”
    “Glauben Sie das wirklich? Dass sie kalt ist?”
    “Ja”, sagte er. “Genau das denke ich.”
    Tillys Antwort überraschte ihn. “Dann, Adam Kendall, sollten Sie sich zwei Fragen stellen. Erstens, warum ist sie so geworden?” Sie richtete

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