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Wie Jakob die Zeit verlor

Wie Jakob die Zeit verlor

Titel: Wie Jakob die Zeit verlor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Stressenreuter
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der vor Jahren zur Fußgängerzone umgewandelt worden ist, in einem belebten Viertel der Stadt. Rundherum befinden sich Mietshäuser, bewohnt von Arabern, Italienern, Griechen und Deutschen, deren Kinder über den Platz tollen, Versteck spielen und Handyfotos begutachten. Ihre aufgeregten Stimmen wehen zu ihm herüber. Neben dem Café, in dem er sich seinen Milchshake geholt hat, haben sich ein libanesisches Restaurant angesiedelt, ein türkischer Imbiss und eine Pizzeria; der Duft von fremdartigen orientalischen Gewürzen, Salami und Kaffee vermischt sich hier auf eine ganz eigene, mundwässernde Weise. Der Park wird von alten Bäumen und knorrigen Büschen umgeben, in deren Unterholz Kaninchen nisten und über deren Äste Eichhörnchen huschen – eine kleine Großstadtoase.
    Sonntage, Tage wie dieser, haben Jakob und ihm immer am besten gefallen. Das einzige Mal in der Woche, wo sie zusammen ausschlafen und ihrem eigenen Rhythmus folgen konnten, ohne von Terminen oder Verpflichtungen gehetzt zu werden. Nach einem ausgedehnten Frühstück hat sich Arne bei schlechtem Wetter auf dem Sofa in eines seiner Computermagazine vertieft, während Jakob auf dem Parkett Die Zeit gelesen hat. (Er behauptet, dass man die Wochenzeitung aufgrund ihres Formats und ihrer Dicke grundsätzlich nur auf dem Boden liegend lesen kann.) Bei schönem Wetter sind sie durch die Stadt spaziert und mehr als einmal hier gelandet, in diesem Park oder einer der angrenzenden Gaststätten, wo sie bei Saltimbocca und schwerem, italienischem Rotwein mit dem Chef der Pizzeria, Giulio, Bruderschaft getrunken haben. Einmal, irgendwann im Sommer des zweiten oder dritten Jahres ihrer Beziehung, haben sie unter der vom Blitz getroffenen, geborstenen Trauerweide sogar ein Picknick gemacht, haben belegte Brote und Salat gegessen, Sekt geschlürft, und Jakob ist auf Arnes Schoß eingedöst. Arne hat diesen Ort immer als etwas Besonderes betrachtet, etwas, das nur ihnen gehört. Bis er von Jakob erfahren hat, dass auch dieser Ort Erinnerungen an Marius birgt.
    „Wir hatten hier unseren ersten Streit“, hatte Jakob plötzlich gesagt, in der Hand ein paar Haselnüsse, die er für die Eichhörnchen mitgenommen hatte. Arne hatte ihm angesehen, dass er eigentlich gar nicht darüber reden wollte, dass ihm die Bemerkung nur herausgerutscht war, unbeabsichtigt, zufällig.
    „Ach ja?“ Er hatte aufpassen müssen, dass seine Stimme möglichst gleichgültig klang. Dabei hätte er Marius am liebsten posthum gewürgt, weil er sich erneut aus dem Jenseits in ihre Beziehung einmischte. Und gleichzeitig war er neugierig auf die Geschichte hinter dieser Bemerkung. Wenn Jakob aus dieser Zeit etwas preisgab, klaubte er die Informationen wie Brosamen vom Boden auf, dankbar für jeden Hinweis, den sie auf Jakobs früheres Leben enthielten, und verärgert, dass er auf ihre Hilfe angewiesen war, um den Mann, den er liebte, zu verstehen.
    „Wir waren vielleicht zwei Monate zusammen“, hatte Jakob gesagt und ein paar Haselnüsse ins Gras gestreut, um die Nager anzulocken. „Wir sind hier mit den Rädern durchgefahren, als uns Hans entgegenkam.“
    „Wer ist Hans?“
    Ein Schatten war über Jakobs Gesicht geflogen, bevor er weitergesprochen hatte, und Arne hatte nicht einschätzen können, ob der Ärger ihm und seiner Nachfrage galt oder der Erinnerung an diesen anderen Mann. „Hans war hinter Marius her. Jedes Mal, wenn wir ihm in der Szene über den Weg liefen, hat er ihn angebaggert. Es war ihm egal, ob ich dabei war oder nicht. Und Marius ist auf das Spiel eingegangen und hat zurückgeflirtet. Ich glaube nicht mal, dass er auch was von Hans wollte, wahrscheinlich fühlte er sich nur gebauchpinselt. Ich hatte ihm schon ein paar Mal gesagt, dass ich das nicht okay fand, aber er hat immer nur gelacht, hat mich nicht ernst genommen. Jedenfalls, an dem Tag ist er vom Rad gestiegen, um Hans zu begrüßen, Küsschen links, Küsschen rechts, und bei mir sind plötzlich alle Sicherungen durchgebrannt. Ich bin auf Hans los und habe ihn angebrüllt, dass er sich verziehen soll, dass Marius zu mir gehört, und ich habe ihm Prügel angedroht, wenn er meinen Mann auch nur noch ein einziges Mal betatscht. Die Leute haben sich zu uns umgedreht, aber mir war das in dem Moment völlig egal, so sehr war ich in Rage. Hans ist mit eingezogenem Schwanz davongelaufen.“
    „Und dann?“
    „Dann hat Marius losgelegt. Was mir einfallen würde, mich so aufzuführen. Dass er noch nie so etwas

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