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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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verlassen. Nicht immer und nicht unbedingt. Aber wenn sie dich mögen, werden sie ziemlich viel für dich tun, wenn es drauf ankommt. Das ist viel mehr wert als die paar Scheine in dem Briefumschlag.«
    Ich helfe meinem Vater, die Liegen auszuklappen, und wir breiten die Schlafsäcke aus.
    Unsere neue Wohnung ist die kleinste, in der wir je gewohnt haben. Ein Bühnenarbeiter aus dem Theater kennt den Hausmeister und hat mit ihm geredet. Einen Tag später zogen wir ein. Alles, was wir brauchen, holen wir aus dem Koffer, eine Jacke oder ein Paar Schuhe, und danach packen wir es wieder hinein. Die Decken in der Wohnung sind schräg. Wir können die Vögel auf dem Dach landen hören, sagt mein Vater. Er kann kaum aufrecht stehen, lehnt sich nach rechts, während er Wurst brät, und nach links, während er Kaffee trinkt und raucht. Beim Abwasch lehnt er sich nach hinten.

A m Sonntag essen wir Kuchen bei Sara. Sie hat eine kleine Wohnung nicht weit vom Theater. Sara und mein Vater trinken Kaffee, für mich kocht Sara Kakao. Mein Vater redet, Sara nickt und schweigt. Im Theater kann man sie bis ganz hinten im Saal hören, ohne dass sie schreit. Wenn sie auf der Bühne steht, kann man den Blick kaum von ihr abwenden. Aber auf der Straße oder hier in der Wohnung ist sie ganz klein und fast durchsichtig. Wie die Mädchen, die einem immer ausweichen und fast auf den Radweg springen, wenn man auf sie zugeht.
    Wir machen einen Spaziergang im Park. Die Luft ist kalt, wir sind dick vermummt. Wir füttern die Enten mit altem Brot. Mein Vater und ich spielen »Schwäne abwerfen«, aber Sara tun die Schwäne leid. Sie nimmt seine Hand. »Ich freue mich auf den Sommer«, sagt sie. »Ich freue mich darauf, hier spazieren zu gehen und Eis zu essen.«
    »Möchtest du ein Eis?«
    »Ist es nicht zu kalt?«
    »Es ist nie zu kalt, um Eis zu essen.«
    Sara und ich sitzen auf einer Bank und warten auf meinen Vater, der Eis holen geht. Sara schlägt den Mantel fest um sich und rückt ein Stück näher. »Du hast es gut«, sagt sie.
    Wir schauen meinem Vater hinterher, der auf den Ausgang zugeht.
    »Du hast Glück, dass du so einen Vater hast.« Sie schaut ihm weiter hinterher, obwohl er schon durch das Tor verschwunden ist. Dann versinkt sie in Gedanken. Ich spüre sie durch alle Kleider hindurch.
    Als mein Vater wieder auftaucht, erwacht sie wieder und klatscht in die Hände. Sie reißt das Papier auf und lacht, als das Eis an ihrer Unterlippe festfriert.

M ein Vater sitzt am Lichtpult. Er schaut auf die Uhr und legt die Hand auf die Knöpfe.
    Der Saal unter uns ist wie immer halb leer. Die Leute haben längst fertig gehustet, aber der Vorhang ist noch nicht aufgegangen.
    Mein Vater schaut wieder auf die Uhr und bittet mich, nach unten zu gehen und nachzusehen, was los sei.
    Ich laufe durch die schmalen Gänge neben dem Saal, die das Publikum nie sieht. Mein Vater nennt sie die Adern des Theaters. Die Enge und die abblätternde Farbe erinnern mich an den Stripclub.
    Vor den Garderoben stehen Schauspieler und Bühnenarbeiter und flüstern miteinander.
    Eine Tür geht auf, der Theaterdirektor kommt heraus.
    »Was sollen wir tun?«, fragt er.
    »Warum musstest du auch …«
    Kims Arme hängen schlaff herab.
    »Soll ich mit ihr reden, vielleicht …«
    »Ich glaube, du hast schon zu viel gesagt.«
    »Das weiß doch jeder, dass sie sich durch alle Betten geschlafen hat, um die Filmrollen zu kriegen. Das war doch völlig normal damals.«
    Der Direktor ist kurz vorm Platzen, doch dann seufzt er resigniert und kramt in den Taschen nach einer Zigarette. Eine Rauchwolke hängt unter der niedrigen Decke.
    Sara geht vor mir in die Hocke. Sie legt die Hände auf meine Schultern und flüstert mir ins Ohr. Ich sehe sie an, sie nickt und gibt mir einen sanften Schubs. Ich gehe zur Tür, die Schauspieler verstummen, ich spüre ihre Blicke. Noch ein Schritt, und ich habe die Hand auf der Klinke. Noch einmal sehe ich Sara an, sie lächelt und nickt. Ich gehe hinein und schließe die Tür hinter mir.
    Margrethe dreht sich um und will eine Haarbürste nach mir werfen, hält aber mitten in der Bewegung ein. Sie ist rot im Gesicht, als hätte sie die Luft angehalten. Schwarze Striche laufen an ihren Wangen herab. Sie lässt sich in den Stuhl am Schminktisch fallen.
    Ich setze mich neben sie.
    »Das ist doch nur Theater«, sage ich, wie Sara mich gebeten hat. Margrethe sieht mich verwundert an, dann lacht sie. Sie lacht, bis sie hustet, und dann lacht sie noch

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